„Mit meiner Puppe darf nur ich spielen, ansonsten mach ich sie kaputt“ – ist eine krasse Ausprägung des gesellschaftlichen Echoismus, indem Frauen wie Puppen behandelt werden und es von der Gesellschaft akzeptiert wird. Dieser Blogbeitrag von unserer Psychologin Eva Nikolov-Bruckner beleuchtet die Problematik zu unserem Monatsthema für September „Echo, Ego und Narzissmus“.
Echoismus – was ist das eigentlich?
Einerseits vielfach beschworen – andererseits sehr unterschiedlich aus dem Narziss-Mythos „herausinterpretiert“ steht die Nymphe Echo weitgehend als Symbol für eine immer noch vorherrschende gesellschaftlich vorgeprägte Rolle von Frauen in einer Zweierbeziehung.
Vielfach wird in der Diskussion rund um Narzissmus und seine Ausprägungen bei Individuen, aber auch im gesamtgesellschaftlichen Kontext Echoismus als die Form des vulnerablen Narzissmus bezeichnet – also der Gegenpart zu einem malignen und destruktiven Narzissmus. Wenngleich sich hier vieles mit der ursprünglichen Form des Mythos rund um Narziss und die Nymphe Echo NICHT deckt, so muss sie in manchen Erklärungsmodellen für die ausgebeutete, vielfach missbraucht und sich selbst aufopfernde Gestalt herhalten.
Kurz gesagt…
Echoismus wird meist als Bezeichnung für viele Formen von „Opfertum“ (meist selbst ausgewählt – wenn auch zu oft unbewusst) einer destruktiv toxischen Männlichkeit verwendet
Zugegeben, die mythische Echo ist nie tatsächlich in Nah-Beziehung getreten mit dem mythologischen Narziss, der ohnehin nur in sein Spiegelbild verliebt war und daher die „stalkende“ Echo von Anfang an mied. Ihr tragisches Schicksal ist eher mit sinnlosem „sich Verzehren“ verbunden – weniger mit konkreter Gewalt von männlicher (Narziss-)Seite, denn Narziss hat sie ignoriert.
Blickt man ein wenig genauer in die „Symptome“ eines (fast immer weiblich besetzten) Echoismus, so wird diesem vieles zugeschrieben, was noch immer recht gut in das gängige Rollenbild der idealen Ehefrau/Partnerin unserer Gesellschaft hineinpasst.
Zugegeben hat sich mittlerweile in vielerlei Hinsicht einiges in den letzten Jahrzehnten – zumindest in der öffentlichen Diskussion und im Rechtssystem – getan, um das patriarchal geprägte weibliche Rollenbild nach dem 2. Weltkrieg zu korrigieren.
Aus der Ehe oder auch anderen Formen der sogenannten Partnerschaften betrachtet, geht es längst noch nicht immer partnerschaftlich zu
Sehr oft finden sich hier Partner, welche die alten Rollenbilder (männliche und weibliche Rollenmuster) noch in sich tragen und auch ausleben.
Unreflektiert werden dann innerhalb der Beziehung alte Rollenmuster wieder so „nachgespielt“, wie man sie aus der eigenen Familie, aber auch aus allen anderen Formen der gesellschaftlichen Darstellung von Geschlechterrollen gesehen hat. Diese verinnerlichten Bilder werden zwar nach außen in den Medien oft als idealisiert dargestellt. Nach dem Motto: sie kriegten sich und lebten glücklich bis an ihr Ende – die Realität sieht allerdings innerhalb der Beziehung anders aus!
Im Verständnis einer „toxischen Männlichkeit“ hat die Partnerin (hier meist nicht wirklich als Partnerin angesehen, sondern mehr als „Unterworfene“) sich völlig den Vorstellungen und Wünschen des (Ehe)mannes angepasst unterzuordnen. Das heißt im konkreten Fall: sie hat nach dem narzisstisch-männlichen Idealbild der nicht selbstbestimmten Frau die Aufgabe, dem Mann seine Wünsche zu erfüllen, in jeder Situation hinter ihm zu stehen, alles zu ertragen und zu erdulden. Dieses alte Bild, das im „3. Reich“ der Nazis erneut zum Idealbild erhoben wurde – nachdem übrigens in den Jahrzehnten davor die Frauen sich bereits einiges an individuellen Rechten erkämpft hatten – sitzt immer noch sehr tief.
Allerdings haben sich seit den späten 1960er Jahren aufgrund vieler gesellschaftlicher Neuerungsströmungen auch feministische Ideen immer stärker in der Gesellschaft, und damit auch im Rechtssystem etabliert.
Die 1968er Bewegung wurde damals noch immer stark von jungen Männern dominiert – Frauen durften lediglich „mitmachen“
Als Reaktion darauf kam eine starke feministische Bewegung auf – die sogenannte 2. feministische Welle. Deren Voranschreiten fand zwar weitgehend nur schleppend Eingang in den privaten Bereich. Die männlichen und weiblichen Rollenbilder waren oder sind oft noch dermaßen stark, dass sie sich bis heute durchsetzen.
Nach außen hin stellten sich scheinbar auch viele Männer in den Dienst von gesellschaftlichen Neuerungen – aber in den eigenen vier Wänden sieht dieser „moderne Mann“ doch anders aus. Zumindest zuhause wollte er nach wie vor den „Herrn“ abgeben, dem sich die Frau unterzuordnen hatte.
Es zeigt sich auch heute noch – oder vielleicht gerade wieder – jede Verschiebung in den Machtverhältnissen zwischen Männern und Frauen zieht heftige Reaktionen nach sich!
Die Muster und Erwartungen bezüglich Frauen in ihrer „weiblichen Rolle“ ähneln nach wie vor den Symptomen und Verhaltensweisen, die man dem Echoismus zuschreibt. Es scheint also noch immer ein weibliches Idealbild im Sinne eines gesellschaftlichen Echoismus zu geben.
Dieses Auseinanderklaffen von modernen gesellschaftlichen Rollenbildern und der Praxis, in der noch immer uralte patriarchale Muster in den Beziehungen gelebt werden, hält sich über die letzten Jahrzehnte zäh und es scheint in vieler Hinsicht sogar wieder einen gesellschaftlichen Rückschritt zu geben.
Die Philosophin und Autorin Isolde Charim hat – aus meiner Sicht, zu Recht – festgestellt:
Die gesellschaftliche Rebellion der 68er Generation ist in eine völlig falsche Richtung gelaufen
Die kritisierte „Herrschaft des Über-Ich“ in Form eines Aufbegehrens gegen Über-Ich Normen wurde schließlich zu einer neuen Gefangenschaft. Es geht nicht mehr um eine glückliche und befreite Gesellschaft. Es geht nur noch um eine Ich-Individuums-Herrschaft, wo nur noch das persönliche Glück, ohne Rücksicht auf andere und deren Menschenwürde steht – eine durchkommerzialisierten Gesellschaft, die uns das Glück über den Konsum verspricht.
Unsere komplett marktorientierte Welt fördert alte Rollenbilder
Teilweise wenig transparent oder klar sichtbar wahrzunehmen, entsteht ein immer größerer Druck u.a. an Schönheits-Wahn, der durch die sozialen Medien geistert und viele äußerliche Aspekte der weiblichen Rollenzuschreibungen wieder ins Zentrum gesellschaftlicher Normen rückt.
Und – damit kommen viele wichtige Aspekte einer patriarchalen Gesellschaftsordnung wieder (zumindest durch die Hintertür des „freien Marktes“) auch verstärkt zurück. Die Jagd nach dem scheinbar idealen Partner/der idealen Partnerin wird auf dem „Fleischmarkt der Partner- und Datingbörsen“ noch erhöht.
Viele Frauen spielen hier allerdings nicht so klar mit, wie viele Männer es (vor allem in Beziehungen) erwarten. Die Gründe sind relativ klar und liegen auf der Hand: Viele Frauen haben sich jahrzehntelang mit viel Energie dafür eingesetzt, sich ein wenig Terrain in einer männerdominierten Gesellschaft zu erkämpfen. Für Frauen gab es viel zu gewinnen und das tut es noch weiterhin! Für Männer war im Vergleich zu den Frauen vielfach einfach nicht so viel zu gewinnen.
Viele Männer erlebten die „Ermächtigung der Frauen“ als Verlust ihrer eigenen Macht – der gesellschaftliche Echoismus wird in Frage gestellt
Ein bestimmtes Segment erlebte diese gesellschaftlichen Veränderungen als persönlichen Verlust in ihrem Rollenverständnis. Diese Verluste werden von einigen auch als narzisstische Kränkung erlebt und sie versuchen zumindest im privaten Bereich diese wieder wett zu machen.
Das heißt konkret: der gesellschaftliche Terrainverlust sollten hier durch persönliche „Terraingewinne“ wieder gut gemacht werden. Frauen und insbesondere die eigenen PartnerInnen müssen umso stärker kontrolliert werden. Das persönliche, narzisstisch geprägte männliche Rollenbild (es muss ja noch gar nicht krankhaft ausgeprägt sein) verlangt also, in bestimmter Weise gegen Beschränkung und Beschädigung verteidigt zu werden.
Die schlimmste narzisstische Kränkung für einen dafür anfälligen Mann besteht darin, die (Ehe)Frau/Partnerin nicht mehr komplett kontrollieren zu können, weil sie sich emanzipiert hat
Das triggert sehr oft eine Form von blinden Gewaltausbrüchen. Die rote Linie ist überschritten, wenn die Kontrolle über die Frau nicht mehr möglich ist, sprich: wenn sich Frauen eigene Rechte herausnehmen und somit auch nicht mehr im Sinne eines gesellschaftlichen Echoismus funktionieren.
Das schwerste „Vergehen“ ist logischer Weise daraus schlussfolgernd, wenn die Frau den Mann verlässt und sich dadurch komplett der Kontrolle über sich entzieht. Das kann bis zu Mord und Totschlag führen, was neuerdings in den Medien als „Femizid“ bezeichnet wird.
Die gesellschaftliche Echo wird ihrer Rolle nicht mehr gerecht
Das erfordert Gewalt – bis hin zur Zerstörung! In anderen Worten formuliert und durchaus als ernstgemeinte DRohung zu verstehen: Mit meiner Puppe darf NUR ICH spielen – ansonsten mach ich sie kaputt!
Im medialen wording zeigt sich hier der gesellschaftliche Fortschritt – in den Inhalten zeigt sich das Nachhinken einer gesellschaftlichen Entwicklung auf der privaten Ebene.
Femizid – das bedeutet ein Tötungsdelikt, das sich aus dem „Frausein“ heraus erklärt. Bis vor wenigen Jahren wurden derartige Gewaltakte sehr oft als „Familientragödie“ bezeichnet – ein Begriff, der in eine völlig andere Richtung zeigte – und die Schuldfrage auch immer an das System Familie“ delegierte. Das hieß, es wurde implizit angenommen, dass die Frau selbst Schuld an ihrer eigenen Tötung hätte, denn sie hat nicht „richtig“ funktioniert und sich nicht wie erwünscht untergeordnet.
Zum Glück funktioniert die Täter-Opfer-Umkehr nicht mehr überall unhinterfragt!
Echo spielt nicht mehr mit… Sie und ,das sei hier unbedingt auch erwähnt, eine Männer, die umdenken, hinterfragen ihre Rolle. Sie sind nicht mehr bereit, die Jahrhunderte alten Rollenbilder weiterhin auszufüllen – es bleibt zu hoffen!
Deshalb hier mein Appell: Echos. steht auf und stellt euch auf die Hinterbeine – ihr habt nicht viel zu verlieren… oder?!
Hier finden Sie mehr Informationen zu unserer Psychologin Eva Nikolv-Bruckner. Ein kostenloses Erstgespräch mit ihr können Sie über unseren Terminkalender buchen.
Weitere interessante Blogbeiträge zum Echoismus finden Sie auch von Regina Schrott, der Gründerin von Narz mich nicht®. Vielleicht möchten Sie diese auch lesen:
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Zudem gibt Regina Schrott an der VHS Köln am 14.11.2023 von 18:00 bis 21:30 Uhr wieder ein Kurzsemiar zum Thema „Ich bin kein Echo! – Schlagfertigkeit für Echoist:innen“. Anmeldungen bitte nur über den Link der VHS Köln.
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