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Dunkle (böse) Märchenfiguren… und was sie uns sagen können:

Wilde Tiere, Dämonen und Ungeheuer

Im letzten Blogbeitrag habe ich darauf hingewiesen, für wie wichtig der berühmte Psychoanalytiker Bettelheim die Arbeit mit Märchen hält. Und auch all ihre gefährlichen und bedrohlichen Figuren sind für Kinder, wie auch Erwachsene wichtige Aspekte einer Bearbeitung von leichteren oder auch schweren psychischen Problemen. Bettelheim bezieht die Relevanz von Märchen für Kinder darauf, dass diese durch die Beschäftigung mit Märchen gut auf das Leben vorbereitet werden.

Insgesamt gibt es verschiedene Formen der Arbeit mit Märchen in therapeutischen Prozessen; diese beziehen sich auf Themen wie „Verbildlichung“; dh. aus der Erzählung werden eigene, individuelle (innere) Bilder geschaffen und es können dazu emotionale Stellungnahmen erfolgen. Dies bedeutet, dass der eigene Zugang zum Inhalt und zu den Figuren des Märchens gesucht wird (also- was hat das mit mir zu tun; wieweit finde ich mich im eigenen Leben in ähnlichen Situationen?). Daraus lassen sich eventuell auch eigene Strategien und Handlungsmuster aus der Erzählung ableiten. Dabei wird die Phantasie angeregt und dabei auf die eigenen Gefühle fokussiert. Manchmal fordert der Therapeut/die Therapeutin dazu auf, selbst mit den Märchenfiguren (in einem gespielten Dialog) zu interagieren und dabei neue Interaktions-Muster auszuprobieren.

Therapeutische Schulen und die Arbeit mit Märchen, Mythen…

Innerhalb der verschiedenen therapeutischen Schulen arbeiten einige mit Märchen, Mythen, Symbolen und Traumbildern. Sie gehen davon aus, dass der Sinngehalt von Symbolen (und die Märchenfiguren lassen sich als „archetypische Symbole“ betrachten) etwas mit unserer früheren und/oder aktuellen Lebenssituation zu tun hat. Daher können diese inneren Bilder (in Form von symbolischen Gestalten) zur Selbsterkundung und Selbstheilung wichtige Dienste leisten.

Hier sind vor allem tiefenpsychologische Ansätze zu finden, die erstmals innerhalb von therapeutischen Prozessen mit Bildern, Symbolen, Träumen ua.) gearbeitet hatten. Ausgehend von der Annahme, dass unser alltägliches Handeln zum Großteil von unbewussten Vorgängen gesteuert wird (s. Eisbergtheorie, die besagt, dass ein Großteil unseres Bewusstseins- so wie ein Eisberg nicht oberflächlich sichtbar, also verfügbar ist und der Großteil davon unter der Oberfläche), lassen sich innere Bilder, Metaphern, Symbole und Träume hier zielgerichtet einsetzen. Inzwischen wird von unterschiedlichsten therapeutischen Schulen und Strömungen dieser Ansatz, offensichtlich auch durchaus erfolgreich angewandt.

Neben Freud (als dem Begründer der Psychoanalyse) hat vor allem auch C.G. Jung sich sehr intensiv mit dem Thema von unbewussten Inhalten beschäftigt. Seine Theorie vom „Kollektiven Unbewussten“ postuliert ein der Menschheit gemeinsames tief verborgenes Wissen um überpersönliche Inhalte und Konzepte. Darin befinden sich auch die sogenannten „Archetypen“; das sind Figuren bzw. Charaktere, die kulturübergreifend eine gemeinsame Bedeutung für alle Menschen symbolisieren. Hier sind vor allem bestimmte Frauen/Mutterfiguren zu nennen. Diese können gute, aber auch dunkle (furchterregende) Eigenschaften besitzen. Diese Gestalten können in verschiedenen Formen mit für uns unterschiedlichem Bedeutungsgehalt erscheinen, im Traum, im Märchen, in der Kunst.

Beschreibung durch Verena Kast

Verena Kast, die sich intensiv mit dem Thema Märchen als Therapie auseinandergesetzt hat, beschreibt Märchen folgendermaßen: Märchen beginnen immer mit einer problematischen Situation und zeigen dann, wie mit dieser umgegangen werden kann (eine klare Parallele zu therapeutischen Prozessen). Die Schwierigkeiten, denen Märchenfiguren begegnen, und die sie bewältigen, sind solche, die auch wir zu bewältigen haben. Es spricht daher zu uns in Symbolen und Bildern, die in breitere Prozesse eingebunden sind.

So gesehen gibt es natürlich auch verschiedene Deutungsmöglichkeiten der Märchen(handlung) und der darin agierenden Figuren. Vieles ist eine Frage der Deutung, die je nach Individuum und dessen/deren Lebensgeschichte unterschiedlich ablaufen kann. Diejenigen Märchenmotive, die uns am stärksten ansprechen, lassen daher den Schluss zu, dass sie am meisten mit unserer Lebenssituation zu tun haben.

Märchendeutungen sind laut Kast auch eine Form von „spielerischem Umgang“ mit psychischen Prozessen und existenziellen Fragen. Alleine das „Wirkenlassen“ von Märchenbildern schafft den Beginn eines therapeutischen Prozesses. Indem sie die eigenen fixierten Bilder durch die Kraft ihrer Bilder und Symbole verändern können, induzieren sie Entwicklungsprozesse. Die Anregung von Kreativität und schöpferischer Phantasie kann dabei heilsame Veränderungsprozesse in Gang setzen

Hier ist es besonders wichtig, die Märchenfigur der eigenen Identifikation und die Bedeutung der darum herum agierenden Figuren zu verstehen. Laut Bloch schlummert in jedem lebendigen Symbol eine „archetypisch eingekapselte Hoffnung“ (wie in einem Dornröschenschlaf!)

Einen besonders wichtigen Platz nehmen dabei diejenigen Figuren ein, die das Dunkle, das Gefährliche und Bedrohliche symbolisieren, und die im Märchen ausgeschaltet (überlistet, getötet) werden. Sie gehören meist ebenfalls zu einer Form von „Archetypen“ in Form von „dunklen“ Gestalten, menschlich, tierisch, dämonisch, oder wie immer.  Die Auseinandersetzung mit diesen dunklen Gestalten symbolisiert auch sehr oft die Auseinandersetzung von uns selbst mit unserer „dunklen Seite“ (nach C.G. Jung dem „Schatten“).

Unsere dunkle Seite

Ausgehend von den meisten Psychoanalytikern ist diese Auseinandersetzung mit der im Alltag meist verdrängten dunklen Seite unserer selbst ein wichtiger Schritt im eigenen Reifungsprozess. Diese Schreckgestalten und Ungeheuer begegnen uns auch immer wieder in alten Mythen und Legenden (man denke nur an Georg den Drachentöter). Die großen drachentötenden Helden repräsentieren auf einer tieferen Ebene auch immer den Kampf mit sich selbst. Der Drache, das Ungeheuer, der Dämon, der zu besiegen ist, repräsentiert dabei eigene unbewusste Anteile, denen man sich bisher im Leben noch nicht gestellt hatte. Erst in der direkten Konfrontation und im Sieg über „das Böse“  erlangt der Held (oder die Heldin) Befreiung; für sich, aber auch für andere. Man denke nur an den Drachen, der eine ganz Stadt bedroht (und Jungfrauen verspeist), oder an Judith, die das „Ungeheuer“ Holofernes köpft und damit ihr Volk rettet.

Der Sieg über das Böse (meist durch dessen Vernichtung) begegnet uns nicht nur in Grimms Märchen bei Rotkäppchen, Hänsel und Gretel, Rumpelstilzchen, Blaubart und vielen anderen, sondern auch in orientalischen Märchen. Der „Geist aus der Flasche“, der vom armen Fischer überlistet wird, ist wohl jedem bekannt. Und auch Legenden und (Tier)fabeln präsentieren uns ähnliche Inhalte, wobei hier sehr oft körperliche Unterlegenheit durch geistige Überlegenheit ausgeglichen wird (s. Blog 1 – Fressen und Gefressen Werden;  die Fabel von den Ziegen und dem Wolf).

Bettelheim „Kinder brauchen Märchen“

Auch Bettelheim hebt in seinem Hauptwerk „Kinder brauchen Märchen“ hervor, welch wichtige Rolle diese Symbolgehalte und Märchenfiguren für die menschliche Entwicklung (nicht nur bei Kindern) spielen.

Die Rolle von Gewalt in Märchen hat viele weitere Funktionen und geht nicht immer nur von bösen/dunklen Geistwesen aus, sondern oft genug einfach von gewaltbereiten Menschen. Diese können offiziell mächtig sein und als solche ihre Macht ausüben. Aber auch als gesellschaftliche „outcasts“ können diese Gewalt zum eigenen Überleben einsetzen. Die im Westen berühmteste orientalische Märchensammlung beruht auf der Geschichte der klugen Scheherezade. Sie bekehrte durch ihre überragende Erzählkunst den Herrscher vom Massenmörder zum guten Regenten und Ehemann. Hier schwingt natürlich auch sehr viel „scheinbar“ orientalische Mentalität und der absolute Herrschaftsanspruch über Untertanen (und/oder (Ehe)frauen) durch. Hier finden wir ein Phänomen, das auch in unserer westlichen Welt vor wenigen Jahrhunderten noch volle Gültigkeit hatte.

Zum Abschluss noch ein kleines „Bestiarium“ aus der Märchenforschung: Die „bösen“ Märchenfiguren und deren symbolischer (vielleicht auch archetypischer) Gehalt:

Männlich:

Der Zauberer, der Gnom, Kobold (Rumpelstilzchen) oder Troll (Erd- und Elementargeister mit bösen Absichten), Riesen, Geister und Dämonen, sowie ebenfalls als gefährlicher Elementar-Geist – der Wassermann

Weiblich:

Die Hexe, die böse Fee (Zauberin), die Riesin, die Wasser-Nixe

Tierische Unholde

Wolf (Bär, Tiger), Drache, Basilisk, Schlange, Mischwesen (halb Tier/halb Mensch)

Dass manche Ungeheuer, Bestien, wilde Tiere eigentlich verzauberte Menschen (spätere Geliebte oder Ehemänner) sind, bildet eine eigene Kategorie innerhalb vieler Märchen. Mit einigen Beispielen von diesen dunklen Mächten (und ihrer tieferen Bedeutung) wollen wir uns im nächsten Blog näher beschäftigen.

Leider muss dazu angemerkt werden, dass nicht jeder Frosch, den frau an die Wand wirft, sich in einen Märchenprinz verwandelt. Und leider wird auch nicht aus jedem ekelhaften Biest durch die reine aufopfernde Liebe ein vorbildlicher Prinz….

Hier ist zu bedenken: Märchen sprechen in Symbolen…

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Die beiden Wienerinnen Regina Schrott & Eva Nikolov-Bruckner führen durch die Stadt auf den Spuren von Herrn Freud.

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Kategorien: EchoismusNarzissmus

1 Kommentar

Der Dämon und das Innere Kind - Narz mich nicht® · 1. Juli 2023 um 14:24

[…] Dunkle böse Märchenfiguren […]

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