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Stellen Sie sich vor, Sie sehnen sich nach Nähe, tiefer Begegnung und wahrhaftiger Intimität… und treffen stattdessen völlig unerwartet auf sehr konkrete und klare Erwartungen, die Ihnen zugeschriebene Rolle möglichst genau an den Regieanweisungen entlang auszufüllen. Keiner hat Sie je gefragt, ob Sie diese Rolle annehmen wollen… oder haben Sie es verpasst? Sex und Narzissmus sind allgegenwärtig und giftig. Und je mehr Sie sich in das Drehbuch einlesen, desto stärker wächst in Ihnen der Verdacht, dass Sie verwechselt worden sind.

Schon der Personenbeschreibung entsprechen Sie überhaupt nicht. Weder der erwarteten Haarfarbe, noch der Frisur oder den beschriebenen Körperformen. Auch den Vorlieben oder dem zu äußernden Gebaren nicht, dem zugewiesenen Text bzw. der erforderlichen gefälligen Wortlosigkeit mit ausschließend anerkennenden Geräuschen. (Spannend: Warum macht mein Spracherkennungsprogramm aus Wortlosigkeit WERTlosigkeit?! Weiß es mehr, als es vorgibt?)

Oder entspricht das alles IHNEN einfach nicht? Wieso wurden Sie eigentlich an keiner Stelle gefragt?

Bevor Sie überhaupt auf die Idee kommen, sich diese Fragen selbst zu stellen, haben Sie längst die Rolle

… und sind schon so tief ins Drehbuch versunken, dass Sie gar nicht mehr wissen, was Ihnen tatsächlich entspricht.

Und wenn Sie zurückdenken, weil ich diese Fragen jetzt hier in den Raum stelle, fragen Sie sich vielleicht sogar, ob Sie es überhaupt schon jemals wussten. Und kommen womöglich erschüttert zu dem Ergebnis, dass nicht einmal Sie selbst auf die Idee gekommen sind, sich zu fragen, was Ihnen eigentlich entspricht.

Spüren Sie schon, was Ihnen da gerade die Kehle hochkriecht und den Hals zuschnürt? Oh, Sie kennen das SO verdammt gut. Dieses unterschwellige Gefühl, von Grund auf fehlerhaft zu sein.

Irgendwie hinter dem Mond zu leben, den Schuss nicht gehört zu haben und vollkommen versagt zu haben

Eine verklemmtes Weichei oder eine prüde Zicke zu sein. Einfach die falschen Bedürfnisse, die falschen Vorstellungen von Sex zu haben.  Und dass Ihnen über all diese Erkenntnisse die Lust völlig vergangen ist, bestätigt nur das Gefühl von Versagen und Wertlosigkeit. Und bestärkt Sie darin, erst recht nicht den Fehler zu machen und irgendwo darüber zu sprechen – sich zu offenbaren und womöglich auf Verständnis zu hoffen.

Willkommen in unserer kulturellen Normalität. Und damit will ich überhaupt nicht sagen, dass das nicht schlimm ist. Im Gegenteil. Es ist die Hölle. Was ich sagen will, ist viel mehr: Sie können nichts dafür. Denn auch wenn nicht jedeR mögliche PartnerIn NarzisstIn ist – unser kultureller Blick auf Sex ist zutiefst narzisstisch. Durchdrungen von sehr klaren Spaltungen: richtig / falsch, attraktiv / unattraktiv, männlich / weiblich usw.

Und unlösbaren Aufgaben / Double Binds: „Ein Mann, der Sex will, ist typisch Mann, einer der keinen will, unmännlich“, „eine Frau, die Sex will, ist eine Schlampe, eine die keinen will, eine prüde Zicke“, „sei voller Lust, aber verlange nichts, was ich nicht leisten kann“, „sei voller Lust, aber genau so, wie es MIR entspricht“, „sei voller Lust, aber begehre niemand anders als mich“, „sei begehrenswert, aber keine Schlampe / nicht typisch Mann“, „Begehre mich, aber konfrontiere mich nicht damit, wo ich nicht spürbar bin“.

„Begehre mich, aber beweise mir, dass du ein guter Mann/eine anständige Frau bist.“

Bis hierhin habe ich es Ihnen erspart und (entsprechend unserem kulturellen Tabu) noch nicht benannt, aber jetzt ist es soweit: Die Scham – sie rumort angesichts des kulturellen Drehbuchs für Sex in beinahe jeder Bewegung oder Nichtbewegung, jedem Wollen oder Nichtwollen, jedem Geräusch, jedem Verstummen, jeder Vorliebe und jeder Abwesenheit einer solchen – und bringt spielend leicht jede Lust, ja sogar die Lust auf Lust hochpotent um die Ecke. Streng genommen ist das, was wir Sex nennen, sowieso in keiner Weise intim (im Sinne von wirklich miteinander in nahem Kontakt) – viel eher ein bemühtes Ringen um Drehbuchtreue, auf dass ja nicht auffällt, wie armselig wir sind. Da sind mit einem narzisstischen Partner die Rollen klar verteilt.

Bei genauem Hinsehen ist es erfahrungsgemäß auf der einen Seite zwar explizit, auf der anderen aber heimlich nicht weniger. Denn irgendwie muss man ja seinen Selbstwert erhalten – und wenn Sie mir schon irgendwo begegnet sind, wissen Sie, dass ich gern liebevoll damit herausfordere, dass wer eineN narzisstischeN PartnerIn hat, gut möglich selbst einer ist. Denn wer war nochmal so angetan von den Idealisierungen oder der Strahlkraft Ihres Partners? Wer war so bereit, sich in seinem/ihrem Glanze zu sonnen und wegzuschauen in den Momenten, wo die Entwertung offenbar wurde? Das ist kein Vergehen und nimmt Ihnen auch nicht das Recht auf Ihre Empfindungen.

Gewalt ist Gewalt

Und nicht jeder mit einer narzisstischen Urwunde muss Gewalt ausüben. Gleichzeitig ist die Grenze zwischen übertriebenem Verständnis und Gewalt an manchen Stellen fließend, und Überanpassung kann genauso wie Idealisierung eine krasse Manipulation sein (und beides allzu oft gleichermaßen unbemerkt). Ich darf das sagen, denn ich war die längste Zeit meines Lebens selbst davon betroffen und ich weiß, dass die Verbindung Sex und Narzissmus allgegenwärtig und giftig ist!

Aber zurück zum Sex. Streng genommen steckt schon in dem Wort das ganze Dilemma unserer kulturellen Spaltung. Die eine Seite der Medaille, auf deren anderer „Liebe“ steht. Und auch, wenn Ihr Kopf gut möglich denkt, dass Sie genau wissen, dass beides zusammengehört, ist es in den allermeisten Fällen nicht so.

Mit Sex ohne Liebe und Liebe ohne Sex schützen wir uns vor der Intimität, nach der wir uns sehnen – die wir aber gleichermaßen fürchten wie der Teufel das Weihwasser

Der flächendeckende Grund: Scham. Scham für unseren Körper (zu groß, zu klein, zu dick, zu dünn, zu faltig, zu wellig, die Kurven an den falschen Stellen, zu viele oder zu wenig Muskeln, Busen oder Taille, zu kurz / lang / krumm oder gerade, zu aufrecht oder schlaff, beschnitten oder unbeschnitten das Genital). Scham für unsere Bedürfnisse und unsere Grenzen (besonders für die Männer, die ja per definitionem immer können und wollen, sind ihre sexuellen Grenzen oft völlig unbekannt – denn wenn sie welche hätten, wären sie ja keine Männer). Unsere Verletzlichkeit und unser Verlangen. Unsere Intensität von Verlangen. Unser Selbstausdruck. Scham dafür, was wir erleben (während es aussieht, als hätten wir gerade riesigen Spaß) und was wir nicht erleben (weil es ja aussieht, als wären wir voll dabei). Die Liste ist endlos, aber ich glaube, Sie verstehen, was ich meine.

Deshalb möchte ich Ihnen an dieser Stelle ein paar Einladungen zum Forschen aussprechen, damit Sex und Narzissmus  – allgegenwärtig und überall gar nicht erst sein muss:

  1. Streichen Sie das Wort Sex aus Ihrem Wortschatz – denn an diesem Wort kleben die gesamten kulturellen Rollenerwartungen, völlig egal, ob Sie es wissen oder nicht. Ja, ich weiß, das ist überhaupt nicht leicht. Mir gelingt es auch nicht immer. Aber allein der Versuch ist Gold wert und öffnet nach und nach Räume, in denen Neues entstehen kann. (Halten Sie gern auch Ausschau nach allen anderen Worten, die Scham aktivieren oder die Sie nicht mögen, und ersetzen Sie diese durch Worte, die Ihnen wirklich entsprechen oder Freude machen.)
  2. Wagen Sie es, wo immer Sie sich bei dem Versuch ertappen, einer dieser Rollenerwartungen zu entsprechen, einfach innezuhalten und darauf zu verzichten (einfach stattdessen NICHT damit weiter zu machen – sondern vielleicht der Scham zu begegnen, Ja dazu zu sagen, sie zu fühlen, und dabei weiter zu atmen, tiefer denn je).
  3. Fangen Sie an, über Ihre Scham zu sprechen. Vielleicht nicht gerade vor einem narzisstischen Partner, aber überhaupt. Es muss ja noch nicht einmal das sein, WOFÜR Sie sich schämen, sondern nur, DASS Sie es tun. „Ich schäme mich gerade!“ (Bei uns ist es das geflügelte Wort „Schamwelle!“) Das ist der erste Schritt. Es ist gut zu bemerken (und anderen dieselbe Gelegenheit zu geben), an wie vielen Stellen Scham am Wirken ist und uns zwingt, uns zu verstecken, statt in intimen Kontakt gehen zu können. Wenn sich die Reaktion Ihres Gegenübers sicher anfühlt, fühlt es sich ja vielleicht machbar oder sogar gut an, mehr zu erzählen. Dann kann es nämlich überhaupt erst anfangen, intim zu werden.

Meine Einladungen gelten völlig unabhängig davon, ob Sie eineN narzisstischeN PartnerIn haben, selbst eineR sind oder nichts von alledem, und ich würde mich riesig freuen, wenn Sie Ihre Forschungsergebnisse mit mir teilen!

Wenn Sie neugierig geworden sind und mehr wissen wollen, finden Sie in meinem Podcast LebensLiebesLust oder in unserem Buch GANZ NACKT weitere Inspiration.

In der Onlinegruppe für Männer und Frauen BACK ON EARTH finden Sie monatlich einen geschützten Raum (mit angeschlossener Signalgruppe für zwischendurch) zum Üben, sich selbst und anderen wahrhaftig und mit aller Scham im Gespräch über Liebe, Begehren und Intimität zu begegnen. Es geschehen regelmäßig Wunder dort.

In den nächsten Wochen eröffnen wir die Facebookgruppe WAHRHAFTIG INTIM, in der es Antworten auf Fragen gibt, die kaum jemand zu stellen wagt. Stay in tune, wenn das spannend ist!

Ihre Christina Sogl (Dipl. Psychologin & Kooperationspartnerin von Narz mich nicht®)

grüner Narz mich nicht Strich

Christina & Reiner Sogl sind Referenten auf unseren Empowerment Days im November. Wer an diesem Wochenende einer unserer nur 60 Gäste sein wird, hat das Glück, gleich mit beiden Seminare besuchen zu können.

Christina Sogl schrieb mit an dem Buch „Der Dämon und das Innere Kind“, das im EMPATHIE Verlag erschienen ist.

Zu einer kostenlosen telefonischen Sprechstunde mit Dipl. Psychologin Christina Sogl kommen Sie über unseren Buchungskalender.


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