Mitten im See ragte ein Felsen zehn Meter übers Wasser. Wie ein Wiesel war ich oben. Die Jungs zögerten und standen belämmert in der Gegend rum. Ich sah meine Chance, endlich cool zu sein und sprang, ohne nachzudenken. Erst als ich wieder auftauchte, sah ich die Felsen um mich herum und welches unbeschreibliche Glück ich hatte – der Übermut des Vertrauens.
Als unser Klassenlehrer mich zusammenbrüllte und mich ab dann „Teufelsspringerin“ titulierte, dachte ich nur voll stolz: wieso sollte Gott (oder wer auch immer) wollen, dass mir etwas passiert, wo doch auch er (oder sie) sehen musste, dass Coolsein für mich als Außenseiterin in der Schule gerade fast existenziell war?
Ich hatte einfach Vertrauen in das Leben!
… und zugegeben, eine gewisse Arroganz war dabei. Eine ähnliche Arroganz verspürte ich viele Jahre später als ich bei meinem Regiedebut mit zweiundzwanzig salopp in der Probezeit behauptete, zu spüren, dass ich genial bin. (Durchaus narzisstisch, wenn ich mich im Nachhinein reflektiere.) Aber ich war mir sicher, dass funktioniert, was ich mir in den Kopf gesetzt hatte. Ich hatte vollkommenes Vertrauen, in das, was ich da tue und ich hatte wieder „Glück“ und bekam die Bestätigung für mein gutes Gefühl.
Das erste Mal massiv gebrochen wurde mein Übermut ins Vertrauen übrigens, als ich mir sicher war, in der Rolle des Peter Pan fliegen zu können, in Form eines Saltos durch‘ s Bühnenfenster hinein. Jeden zweiten Tag flitzte ich nach den Proben nach Köln zur Sportuni, um mir eilig und stur, Salto springen beibringen zu lassen. Bei der Generalprobe stürzte ich unglücklich und der Traum eines Höhenflugs war vorbei, und alle sehr ent-täuscht von mir.
Kleine Randnotiz für Sie: es gibt auch den sogenannten „Peter Pan – Narzissmus“, der das Gegenteil vom grandiosen Narzissmus beschreibt. Peter Pan NarzisstInnen verschanzen sich hinter einer ewigen ungehorsamen Kindheit und übernehmen keinerlei Verantwortung für irgendetwas. Anders als beim grandiosen Narzissmus gieren Peter Pans nicht nach Erfolg. Im Gegenteil, sie machen alle Welt dafür verantwortlich oder beschuldigen diese, keinen Erfolg zu haben, weil alle anderen im Vergleich immer und in allem besser sind. Peter Pan NarzisstInnen lassen sich gerne von anderen Vorschläge unterbreiten, die sie anschließend rigoros ablehnen, oder sie lassen andere für sich arbeiten, aber auch nur, um schlecht zu finden, was diese tun.
Der Übermut des Vertrauens hatte ein Ende
Ich wettete von diesem Moment an mit Ampeln: Wenn ich es vor dem Blinken über die Kreuzung schaffe, werde ich erfolgreich / wird mein Leben toll / finde ich den besten Mann / werde ich endlich glücklich…
Der Witz an diesen Ampelwetten liegt darin, dass Sie selbst bestimmen, ob Sie es schaffen (wollen)
Ich wollte es schaffen! Vor allem die Sache mit dem besten Mann und meinem Lebensglück. Als ich ihm begegnet bin, war mir schlecht. Alle Alarmglocken in mir schrillten. Ich hätte weglaufen können, stattdessen entschied ich mich für Übermut des Vertrauens und blieb – fünfzehn beschissene Jahre lang.
Meine Familie, meine Freunde, alle haben sie mich gewarnt und mir von diesem Menschen abgeraten, dessen Lieblingsmärchen „Das kalte Herz“ war.
Mein hehres Ziel war, diesen Mann glücklich zu machen und Liebe zu schaffen. Am Ende schaffte er mich und von Liebe keine Spur. „Liebe wird sowieso überbewertet“, erklärte er mir. Ich scheiterte so kläglich und schmerzlich an meinem Übermut, fliegen, lieben, leben zu können und zunehmend schwand mein Vertrauen in einen Gott (oder Göttin), in meine Fähigkeiten, in meinen Mut, ins Leben ganz generell.
Ich stolperte wie eine Clownin in viel zu großen Schuhen…
Das Irrwitzige an meiner Geschichte ist, dass mich ausgerechnet die Fliegerei aus meinem Schlamassel gerettet hat. (Dazu habe ich bereits vor fünf Jahren einen Blogbeitrag geschrieben, „Der Weg ist das Ziel“.) Als ich den Pilotenschein machte, stellte ich mich meiner Angst, abzustürzen – ganz wirklich und im übertragenen Sinn. Mir wurde in der Luft so unbeschreiblich bewusst, dass man beim Fliegen nur fliegen kann.
Sie können da oben, im dreidimensionalen Raum nämlich nicht mal eben anhalten und über Ihre nächsten Schritte nachdenken, bevor Sie die nächste Entscheidung treffen. Wenn Sie da oben in der Luft sind, müssen Sie weiterfliegen.
Das ist wie mit dem Leben: wenn Sie leben, können Sie auch nicht kurz mal nicht leben
Der Übermut des Vertrauens war notwendig für mich wie die sogenannte Sturm- und Drangzeit, die schon Johann Wolfgang von Goethe beschrieben hat… Mein Übermut wurde gebrochen. Aber besser er als mein Genick. Und nun bin ich eine mutige Frau, weil ich mir der tatsächlichen Gefahren in der Liebe, am Theater und im zwischenmenschlichen Zirkus bewusst bin.
Wenn ich fliege, dann mit großem Respekt vor dem Leben, das ich aus tiefsten Herzen liebe – meines und das jedes Menschen, der mir begegnet – sei es als Trainingspartner:in oder Wegbegleiter:in.
Mit den natürlichen Grenzen des Möglichen in Wertschätzung des eigenen Körpers zu spielen, nimmt dem Übermut das Übertriebene und hat mir geholfen, nach jedem Flug immer wieder sicher zu landen und mutig, aber nicht übermütig zu sein
Vertrauen Sie Ihren erprobten Fähigkeiten und bauen Sie diese mutig aus, aber nur step by step und sehr gerne mit der Unterstützung unseres Teams oder von mir persönlich.
In Liebe zum Leben –
Ihre Regina Schrott
Regina Schrott ist zertifizierte Mediatorin bei narzisstischen Nöten vice versa, d.h. auch dann, wenn ein Mensch mit dem Vorwurf konfrontiert wird, narzisstisch akzentuiert zu sein. Regina Schrott ist auch systemischer Coach und Expertin auf dem Gebiet funktionaler Beziehungsstörungen.
Ein kostenloses Beratungsgespräch können Sie mit Regina Schrott in ihrer telefonischen Sprechstunde führen. Diese findet jeden Montag zwischen 11:00 und 13:00 Uhr statt. Hier kommen Sie zu unserem kostenlosen Buchungskalender.
Regina Schrott hat zum Thema Narzissmus & narzisstische Nöte, sowie der Auseinandersetzung mit dem Dämon und dem Inneren Kind bereits mehrere Bücher geschrieben. Diese finden Sie unter anderem im EMPATHIE Verlag.
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