Verdeckter Narzissmus in Kirche, Hilfeberufen & heiligen Fassaden – Heilig A plus plus – Die narzisstische Scheinheiligkeit

Es gibt Menschen, die einen Raum betreten und sofort eine Atmosphäre erzeugen: warm, fürsorglich, selbstlos. Sie wirken wie lebende Lichtgestalten, mit einem unsichtbaren Heiligenschein über dem Kopf. Besonders häufig begegnen wir ihnen dort, wo Nächstenliebe und Mitgefühl als höchste Werte gelten: in Kirchen, sozialen Einrichtungen, Kliniken, Therapie- und Pflegeberufen.

Sie sind diejenigen, die für andere „alles tun“. Die Frauen, die sich aufopfern, die Ärztin, die scheinbar unermüdlich heilt, die Kirchenmitarbeiterin, die für jeden ein offenes Ohr hat.

Nach außen: makellos.
Im Inneren: ein Machtanspruch, der unter der Oberfläche brodelt.

In diesem Beitrag geht es um genau diese Menschen – nicht die, die wirklich helfen wollen, sondern jene, die unter dem Deckmantel der Heiligkeit verdeckt narzisstisch handeln. Und darüber, wie perfide und zerstörerisch diese Dynamik sein kann.


1. Verdeckter Narzissmus – Warum er gerade in „heiligen“ Kontexten so gut gedeiht

Verdeckter Narzissmus ist nicht laut, nicht auffällig, nicht arrogant. Er ist leise, bescheiden, selbstlos – zumindest auf den ersten Blick. Diese Narzissten wirken oft wie die letzten Menschen, denen man Manipulation oder Machtmissbrauch zutrauen würde.

Warum also tauchen gerade in der Kirche, in Hilfsorganisationen, im Gesundheitswesen oder in sozialen Berufen so viele verdeckt narzisstische Persönlichkeiten auf?

Weil diese Felder ihnen zwei Bedürfnisse perfekt erfüllen:

  1. Anerkennung ohne Selbstoffenbarung
    Wer „Gutes tut“, darf gesellschaftlich glänzen, ohne sich überhaupt prüfen lassen zu müssen.

  2. Macht über Bedürftige
    Wo Menschen in Not sind, emotional gebrochen oder spirituell verunsichert, entsteht ein natürliches Machtgefälle.
    Und Macht ist das Lieblingsspielzeug jedes Narzissten.

In religiösen Kontexten kommt noch etwas Entscheidendes hinzu:

Moralische Immunität.

Wer sich im Namen Gottes, Nächstenliebe oder Humanität bewegt, gilt als unantastbar. Kritik an „heiligen Helfern“ wird schnell als Angriff gewertet, als Undankbarkeit, als Blasphemie oder mangelnder Respekt.

Und genau diese Immunität schützt den verdeckt narzisstischen Täter – und isoliert das Opfer.


2. Die Frauen mit Heiligenschein – Wenn Aufopferung zur Waffe wird

Besonders häufig begegnet uns der verdeckte Narzissmus bei Frauen, die sich extrem für andere einsetzen. Die Retterin. Die Therapeutin. Die Ärztin. Die „Ersatzmutter der ganzen Gemeinde“.

Sie sind:

  • zuverlässig

  • empathisch scheinbar grenzenlos

  • immer verfügbar

  • selbstlos bis zur Selbstverleugnung

Und doch steckt oft eine völlig andere Motivation dahinter.

Die narzisstische Logik lautet:

„Ich helfe dir, damit du mich brauchst.
Ich gebe dir alles, damit ich am Ende alles kontrolliere.“

Das Opfer bekommt:

  • Schuldgefühle

  • Abhängigkeit

  • subtile Manipulation

  • moralischen Druck („Ich mache so viel für dich!“)

Die Narzisstin bekommt:

  • Bewunderung

  • Dankbarkeit

  • Macht über Bedürftige

  • einen glänzenden Ruf („Sie ist ein Engel!“)

Diese Frauen wirken nach außen nicht wie Täterinnen – sie wirken wie Märtyrerinnen. Doch ihr Märtyrertum ist eine Inszenierung, deren Hauptzweck ist: Steuerung, nicht Liebe.


3. „Heilig A ++“ – Wie die Scheinheiligkeit aussieht

Der Titel „Heilig A ++“ steht für jene übersteigerte Heiligendarstellung, die sich selbst wie ein Zertifikat der moralischen Überlegenheit trägt.

Typische Merkmale der „Heilig A++“-Persönlichkeit:

1. Übertriebene Bescheidenheit

„Oh nein, ich tue doch gar nichts Besonderes.“ – während sie möglichst viele Zuschauer für ihre Bescheidenheit braucht.

2. Selbstaufopferung als Druckmittel

„Ich war die ganze Nacht für dich da. Du weißt gar nicht, was ich alles für dich tue.“
Subtext: „Jetzt schuldest du mir Loyalität.“

3. Spirituelle oder moralische Überhöhung

„Ich diene nur Gott.“
„Ich mache das aus Nächstenliebe.“
…und genau deshalb darf man sie nicht kritisieren.

4. Opferrolle als Machtinstrument

Die verdeckte Narzisstin findet immer einen Weg, sich selbst als die Leidende darzustellen − gerade dann, wenn sie ertappt wurde.

5. Subtile Abwertung anderer

Nie direkt. Immer passiv-aggressiv.
„Ich verstehe, dass du es nicht so siehst. Manche Menschen sind halt weniger spirituell.“

6. Kontrolle durch Abhängigkeit

Sie schafft Situationen, in denen andere ohne sie verloren wären – und sie genießt es.

7. Fassade der Perfektion

Nach außen makellos. Hinter den Kulissen unberechenbar, manipulierend, oft sogar eiskalt.


4. Warum wir dieser Scheinheiligkeit so leicht glauben

Menschen neigen dazu, soziale Rollen zu glauben – vor allem dann, wenn diese Rollen kulturell stark aufgeladen sind.

Eine Ärztin wird selten hinterfragt.
Eine Kirchenmitarbeiterin noch weniger.
Eine Frau, die sich „aufopfert“, überhaupt nicht.

Wir verbinden automatisch:

  • Hilfsbereitschaft = Güte

  • Spiritualität = Moral

  • Aufopferung = Liebe

  • Leidtragen = unschuldig

Doch genau darin liegt die Gefahr.

Verdeckter Narzissmus hat kein Interesse an der Wahrheit – nur an der Wirkung.

Und weil diese Menschen in ihrer Rolle so glaubhaft wirken, fällt es selbst erfahrenen Psychologen schwer, sie zu erkennen. Geschweige denn den Laien, der ihnen vertrauensvoll gegenübersteht.


5. Der verdeckt narzisstische Missbrauch im „heiligen Mantel“

1. Gaslighting durch Moral

„Denkst du wirklich, ich würde absichtlich etwas Böses tun? Ich mache alles aus Liebe.“

2. Demütigung im Namen des Guten

„Das ist nur zu deinem Besten.“
„Ich weiß, was richtig für dich ist.“

3. Spirituelle Übergriffigkeit

„Gott hat mir gezeigt, dass du falsch liegst.“
„Ich fühle, dass du mir vertrauen sollst.“

4. Emotionale Abhängigkeit

„Ich bin die Einzige, die dich wirklich versteht.“

5. Soziale Isolation

„Die anderen sind nicht gut für dich. Bleib bei mir.“

Diese Form von Missbrauch ist besonders perfide, weil sie nicht mit offensichtlicher Gewalt arbeitet – sondern mit moralischer Manipulation.


6. Medizinische und therapeutische Macht – wenn Helfende zu Herrschenden werden

In medizinischen und therapeutischen Berufen entsteht strukturelle Macht automatisch.
Wer Wissen hat, steht über dem, der Hilfe braucht.

Verdeckte Narzissten nutzen diese Asymmetrie schamlos aus.

Beispiele:

  • Eine Ärztin, die ihre Patienten klein hält, um selbst als Retterin dazustehen.

  • Eine Therapeutin, die emotionale Nähe manipuliert, um Bewunderung zu erhalten.

  • Eine Pflegeperson, die Bedürftigkeit instrumentalisiert, um Kontrolle zu behalten.

  • Eine engagierte Mitarbeiterin, die Kollegen leise sabotiert – aber stets mit einem Lächeln.

Immer lautet das Muster:
„Ich helfe dir – aber du gehörst mir.“


7. Warum Opfer so lange schweigen

Viele Betroffene erkennen den Missbrauch erst sehr spät. Oft erst, wenn sie sich leer, abhängig oder schuldig fühlen und nicht wissen, warum.

Die Gründe:

1. Die Täter wirken glaubwürdig.

Sie sind anerkannt, beliebt, hochgelobt.

2. Das Opfer schämt sich.

„Wie konnte ich auf diese heilige Maske hereinfallen?“

3. Kritik wird moralisch abgewehrt.

„Ich habe doch nur geholfen!“
→ Und schon steht das Opfer als undankbar da.

4. Das Opfer wird emotional verwirrt.

Die Mischung aus Fürsorge und Manipulation ist extrem wirksam.

5. Spirituelle und moralische Werte werden umgedeutet.

Wer sich wehrt, gilt als „schwierig“, „instabil“ oder „unwillig zur Heilung“.


8. Der Weg raus: Wie man die Heilig-A++-Maske durchschaut

Hier sind klare Indikatoren:

1. Das Verhalten ist nicht konsistent.

Nach außen Engel.
Privat oder im kleinen Kreis: kontrollierend, abwertend, manipulativ.

2. Hilfe wird an Bedingungen geknüpft.

„Wenn ich dir helfe, erwarte ich…“

3. Kritik ist tabu.

Schon kleinste Rückmeldungen werden als Angriff empfunden.

4. Grenzen werden systematisch übergangen.

Emotional, spirituell oder organisatorisch.

5. Das Opfer fühlt sich immer schuldiger, nie freier.

Echte Hilfe macht stark.
Verdeckter narzisstischer „Beistand“ macht abhängig.

6. Der vermeintliche Engel braucht Publikum.

Ohne Zuschauer ist die Fürsorge oft plötzlich weg.


9. Schluss: Der gefährlichste Missbrauch ist der, den niemand sieht

Verdeckter Narzissmus in Kirche, medizinischen Berufen oder spirituellen Kreisen ist keine Seltenheit – im Gegenteil.
Er versteckt sich genau dort, wo Menschen Schutz suchen.
Und er tarnt sich als das, was wir am meisten begehren: Liebe, Hilfe, Orientierung, Sicherheit.

Ein „Heilig A++“-Narzisst ist nicht heilig und schon gar nicht selbstlos.
Er ist ein Meister der Fassade, ein Virtuose der moralischen Manipulation. Und er gefährdet genau jene Menschen, die ihn am meisten bewundern.

Doch Wissen schützt.

Je mehr wir die Mechanismen verstehen, desto weniger Macht haben sie über uns – oder über jene, die wir begleiten.

Denn echte Nächstenliebe braucht keinen Heiligenschein.
Und keine Zuschauer.

Ihre Regina Schrott


Regina Schrott ist Zertifizierte Mediatorin und spezialisiert auf Persönlichkeitsstörungen und funktionale Beziehungsstörung. Sie setzt sich für ein gegenseitiges Verständnis ein, weil nur ein Verständnis über dysfunktionale Dynamiken à la longue eine Lösung für unsere narzisstische Gesellschaft – wie wir sie seit den 68ern erleben – bringen wird.

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… und ca. 100 Blogbeiträge mehr, die Regina Schrott für Sie geschrieben hat.

Ihr Debut-Roman „Ich bin Echo“ ist im August 2025 im EMPATHIE Verlag erschienen und sowohl als Hard- als auch im Softcover in allen deutschsprachigen Buchhandlungen, über Amazon oder den Verlag direkt erhältlich.

ISBN 978-3-911134-11-8


1 Kommentar

Ulrike · 29. November 2025 um 17:24

Hallo leider habe ich die Erfahrung gemacht das nach meiner Scheidung die schon lange her ist alles woran mir was lag so manipuliert wurde das ich die Böse Mama und Oma bin. Es geht sogar soweit das seid dem 5.8.25 ein gerichtliches Annäherrungsverbot an meinen Sohn und des Kinder besteht ( anderes herum habe ich auch auf ein Annäherrungverbot bestanden)Ich finde eure Arbeit einfach toll und wünsche mir das ihr noch ganz vielen Menschen helfen könnt. Danke das ihr euch so engagiert. Lg Ulli

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