fbpx

Diese Frage nach dem Warum glaubt mir keiner, muss leider viel zu häufig gestellt werden. Das Schlimme daran ist, sie ist berechtigt.

Ich bin durch meine Frau indirekt von psychischem und physischem Missbrauch betroffen. Auch sie hatte das Problem, jemanden zu finden, der sie versteht und ihr glaubt. Am Anfang unserer Beziehung hat sie mir erzählt, was passiert ist. Da ich mich selbst dem Thema Missbrauch und Gewalt immer wieder gewidmet habe, glaubte ich ihr.

Als dann aber immer mehr an mich herangetragen wurde,
bin ich an meine Grenzen des Verstehens gekommen

Wenn ich nicht Beweise in Form von Schriftstücke und E-Mails gelesen hätte, die mir deutlich machten, wie psychische Gewalt aussieht, hätte ich vermutlich irgendwann zu zweifeln angefangen.

Seit wir zusammen sind, erfahre ich immer mehr Missbrauch aus ihrem Leben. Inzwischen habe ich gelernt, damit umzugehen und leider auch, dass ich das Geschehene nicht ändern kann. Es steht mir nicht zu, die Menschen zu bestrafen, die Gewalt und Missbrauch an meiner Frau ausgeübt haben. Ich darf es schlichtweg nicht.

Diese Akzeptanz zu erlangen, geht nur über das Verstehen. Verstehen geht nur über Zuhören.

Es ist wichtig, dem Menschen zu glauben, was er oder sie sagt, ohne zu bewerten. Ob sich immer alles so zugetragen hat, wie es erzählt wird, ist dabei unerheblich. Jeder Mensch nimmt Gewalt und Missbrauch völlig unterschiedlich wahr. Unser Gehirn speichert manchmal nur Fragmente ab. Gerade bei Missbrauch schützt das Vergessen die Seele vor dem erfahrenen Schmerz.

Wenn diese traumatischen Fragmente dann auftauchen, setzen sie sich wie ein Puzzle zusammen. Dann kann es zu sogenannten Flashbacks kommen. Bei manchen Menschen lösen sie sogar Atemstillstand und völlige Abwesenheit aus.

Wenn ich damals Freunden vom Missbrauch an meiner Frau erzählte, glaubte man manchmal auch mir nicht. Sätze wie „Das hat sie sich doch nur ausgedacht“ musste ich mir anhören. Ich traf daraufhin die klare Entscheidung, diese Menschen zu meiden. Das ist für mich ein absolutes No-Go.

Ich will einen Menschen nur in meinem Leben haben, wenn er mir und meiner Frau glaubt 

Bei den vielen Beratungsgesprächen, die ich führe, gebe ich betroffenen Menschen eine Möglichkeit, sich mitzuteilen. Ich trage hoffentlich dadurch einen Teil dazu bei, den Betroffenen zu helfen. Zumindest möchte ich ihnen ein wenig Mut schenken, dass sie nicht alleine sind mit dem, was ihnen passiert ist.

Es trifft mich immer wieder wie ein Schlag mitten ins Gesicht, wenn ich mit Menschen Gespräche führe, denen nicht geglaubt wird. Die am Ende ihrer Kräfte sind, alles aufgegeben haben, um zu überleben. Aber keiner versteht sie oder glaubt ihnen. Manchmal sogar im Gegenteil, dann werden diesen Menschen der Lüge bezichtigt. Sie werden beschimpft und nicht selten sogar von Richtern und Anwälten für ihren Missbrauch bestraft.

Was das mit den Betroffenen macht, vermag ich mir nicht vorzustellen. Sind Kinder mit dabei, fällt es mir oft besonders schwer, bei mir zu bleiben und mich daran zu erinnern, dass ich nur bedingt helfen kann.

Kinder aus solchen Beziehungen brauchen noch mehr Aufmerksamkeit und Hellhörigkeit

Kinder haben keine Chance, die desolate Situation, in der sie sich befinden, selbst zu ändern. Es mangelt schlicht und ergreifend an Erfahrung und Möglichkeiten. Sie können sich Aufgrund ihrer Physis nicht wehren. Abhauen können sie nicht einfach. Sie können sich oft noch weniger artikulieren oder mitteilen.

Einen Satz einer Verfahrensbeiständin vor einem Gerichtssaal werde ich wohl nie vergessen. Auf meine Frage, ob sie das Kind gefragt hat, was bei seinen Eltern so komisch sei, bekam ich zur Antwort: „Alle Kinder sagen doch, dass ihre Eltern komisch sind.“ Leider hat die sie das Kind nicht gefragt, was genau komisch ist. Was das Kind damit meint. Sie hörte „komisch“ und dachte sich IHREN Teil. Sie hinterfragte die Erzählungen des Kindes nicht.  

Wenn ich das hier niederschreibe, könnte ich schon wieder aus der Haut fahren. Nein, nicht alle Eltern sind komisch. Und es ist verdammt nochmal unsere Pflicht, nachzufragen, wenn uns etwas komisch vorkommt. Insbesondere bei Kindern, deren Eltern angeblich hochstrittig sind.

Wenn man schon Erwachsenen glaubt, was sind wir dann für Vorbilder für unsere Kinder?

Wie stellen wir uns eigentlich unsere Gesellschaft in ein paar Jahrzehnten vor. Wenn wir einander nicht zuhören, können wir auch nichts daran ändern.

Ganz ehrlich, es deprimiert mich, wenn ich darüber weiter nachdenke. Und weil es mich deprimiert, höre ich auf, darüber nachzudenken. Ich höre lieber weiter zu, denn dann und nur dann kann ich – Verzeihung, können wir gemeinsam, so Sie sich angesprochen fühlen –  etwas zum Positiven verändern.

Also lassen Sie uns bitte offener und hellhöriger sein für das, was uns erzählt wird. Fangen wir doch einfach damit an und geben wir zusammen unserer Gesellschaft noch eine Chance auf mehr Empathie und Liebe.

grüner Strich

Wenn Sie ein kostenloses Beratungsgespräch zum Thema Coabhängigkeit von Narzisst*innen, toxische Beziehungen und wie kommen Sie da raus mit Henning Glasmacher möchten, kontaktieren Sie Herrn Glasmacher direkt über glasmacher@narz-mich-nicht.de

grüner Strich

Hier finden Sie SOFORTHILFE und Erste Hilfe Tipps im Umgang mit Narzissen

Und das ist unser Team und unsere Kooperationspartner*innen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.


2 Kommentare

Ros · 8. April 2024 um 7:48

Ein Freund wir unternehmen auch zusammen viel, macht sich Lustig wenn mir etwas Schussliges passiert .Mir ist es peinlich, er lacht darüber.
Da ich ein Missbrauchsopfer bin, glaubt er mir nicht in Erzählungen. Ich habe eine andere Entwicklung gemacht und kann vieles nicht erzählen weil ich es nicht weiß aus der Kindheit. Der frühkindliche Missbrauch hat einiges gelöscht.
Das nicht glauben kränkt mich.

Anonymer Kommentar · 5. August 2022 um 8:20

Hallo, gerade habe ich meine Mitter angezeigt. Nach über 30 Jahren. Weil sie den jahrelangen Missbrauch durch meinen Vater und später durch die Freunde meines Bruders geduldet hat und selbst dann nichts tat, als ich die Dinge ganz klar angesprochen habe.
Und obwohl ich am Ende meiner Kraft bin und nicht mehr arbeiten kann und mit 50 in Rente bin, habe ich panische Angst, dass mir niemand glaubt.
Das ist eine übermächtige Angst, die wie früher meine Eltern davor schützt, entdeckt zu werden. Ich nenne sie immer noch Mama und Papa und erzähle von dem anderen Familienleben, das es ja ebenfalls gab. Aber das Demütigen durch meine Mutter, die ständigen Beschuldigungen und das Verspotten ist heute immer noch ein Selbstzwrdttörungsmechsnismu. Und es rührt mich, wie Sie über ihre Frau schreiben. Ganz toll

Schreibe einen Kommentar

Avatar-Platzhalter

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert