Du kannst Liebe nicht machen. Du kannst Liebe sein. Gefühle lassen sich machen, denn Du kannst gute und schlechte Gefühle in Dir und anderen erzeugen.

Du kannst jemand anderen absichtlich Leid zufügen oder auch Dir selbst. Genauso wie Du natürlich auch Positives und Gutes tun kannst. Im Grunde kannst Du Dich für alles (bewusst) entscheiden. Aber um Dich entscheiden zu können, brauchst Du die Erfahrung beider Seiten. Du benötigst die Dualität und gleichzeitig bist Du die Dualität, denn in Dir ist nichts eindeutig.

Dies zeigt sich besonders in der Pubertät oder in Krisensituationen. Manchmal treffen wir nur deshalb diese oder jene Entscheidung, weil wir etwas auf keinen Fall so tun wollen, wie andere oder weil wir unbedingt anders sein wollen als jemand anderer.

Um anders sein zu können, braucht es die Dualität bzw. die Polarität

Narzissmus ist ein Spiegelphänomen und gleichzeitig sind gerade narzisstisch geprägte Beziehungen sich ausgleichende, ausbalancierte Systeme. Nur empfindet das der einzelne innerhalb des Systems nicht so. Sowohl der narzisstische als auch der empathischere Teil wird aus seiner Sicht eine Ungerechtigkeit empfinden und sich – aus diesem Mangelgefühl heraus – am anderen bedienen.

Das kann zwar eine Zeit lang gut gehen, wenn sich das Gesamtbeziehungssystem in Balance hält; wenn Geben und Nehmen unterm Strich wieder hundert Prozent ergeben.

Nimmt sich der eine Teil achtzig Prozent, bleiben für den anderen innerhalb des gemeinsamen Systems zwanzig Prozent. Das passt so lange für beide Seiten, bis einer der beiden sein Bedürfnisverhältnis verändert. Wenn einem seine zwanzig Prozent nicht mehr genügen oder auch die achtzig Prozent zu wenig sind.

Wenn Du Dich in einer Beziehung immer mehr zurücknimmst, zwingst Du in Wahrheit den anderen dazu, noch mehr Raum einzunehmen, damit Eure Beziehung im Gleichgewicht bleibt

Vielleicht will der andere aber gar nicht mehr Raum – er oder sie fühlt sich in seinen/ihren achtzig Prozent von Dir gestört. Das erzeugt logischerweise Reibung. Energie wird frei und entlädt sich. Nach einem Streit muss sich Eure Beziehung wieder ausbalancieren und wenigstens kurzfristig stabilisieren. Es kommt mitunter zur Versöhnung und damit gerät direkt wieder etwas in Dysbalance. Vielleicht entschuldigt sich einer von Euch beiden mehr als der andere – selten ist das in narzisstisch geprägten Beziehungen gleich.

Je größer die Pendelbewegungen, umso größer die Explosionsgefahr. (Eventuell sind Eure Auseinandersetzung bereits zyklisch und wiederholen sich regelmäßig.)

Eine Beziehung ist erst dann ein Perpetuum Mobile, wenn sich anhaltend ein ausbalanciertes Geben und Nehmen einstellt; wenn alle Teile des Systems mit ihrer Rolle und Stellung zufrieden und auch in sich selbst ausgeglichen sind.

Deshalb meine ich:

Du kannst Liebe nicht machen

Du kannst Liebe sein. Wenn Du Dich in Dir selbst wohlfühlst, Du mit Dir befreundet bist und mit Deinem Leben und Dir wirklich zufrieden bist, weil Du nichts darüber hinaus brauchst – weder mehr noch weniger an Bestätigung, Anerkennung, Aufmerksamkeit, etc. – dann kennst Du vielleicht auch diesen wunderbaren Zustand von Frieden, weil Du hundertprozentig gegenwärtig bei Dir bist.

Mir gelingt das am besten allein. Da ist es zugegeben auch keine sonderliche Kunst, denn niemand tritt mit mir in Interaktion, und die Gefahr einer Beziehungsbedingten Schieflage von Geben und Nehmen ergibt sich nicht.

Wenn jemand in den Sicherheitsbereich der hundertprozentigen Seins-Zufriedenheit kommt, der selbst nicht hundert Prozent bei sich ist, verändert sich automatisch der Raum und Dein Gefühl für den Raum. Du fühlst Dich gestört und nicht mehr geliebt – insbesondere, wenn Du z.B. aus Höflichkeit Deinen Raum nicht verteidigst.

Aber wir wollen kein schlechtes Gefühl. Also sorgen wir für einen Kompromiss.

Alles, was nicht Deinen hundert Prozent entspricht, ist ein Kompromiss

Jetzt kannst Du natürlich sagen, dass Du hundert Prozent „Leben“ für Dich gar nicht in Anspruch nehmen musst oder brauchst. Du bist auch mit achtzig oder siebzig Prozent zufrieden. Aber ich unterstelle uns allen, dass wir es nicht wirklich sind. Du bist es nicht und ich bin es auch nicht.

Wir  G E B E N  uns bloß zufrieden. Indem wir geben, machen wir aber bereits wieder und  S I N D  nicht mehr.

Wir schließen Kompromisse, indem wir verzichten oder mehr Raum einnehmen als wir eigentlich wollen, und dies katapultiert uns vom Geliebt-Sein ins Geliebt-Fühlen. Und auch Fühlen ist ein Tun.

Wir tun bzw. machen Liebe. Das ist anstrengend, wenn es nicht unserem hundertprozentigen Seinszustand entspricht. Und der andere hat nicht einmal etwas davon, zumindest nicht für sein Sein, denn auch der andere wird auf Dein Mehr oder Weniger reagieren, um das System im Raum auszubalancieren.

Das kann eskalierend oder deeskalierend passieren… wobei „passieren“ als passives Tun genau genommen irreführend ist.

Streit kann nicht passieren!

Kriege passieren auch nicht! Sie sind das Ergebnis erfolgloser Versuche, eine Situation auszugleichen. Mit Liebe hat das nichts zu tun.

Wie bleibst Du in der Liebe?

Im Alleinsein (All-eins-sein) ist es einfacher. Also beginne zuerst allein. Finde die Balance in Dir, ohne Fremdeinwirkung. Balanciere Dich in Dir selbst aus. Niemand ist in Wahrheit für Dein Glück oder Unglück verantwortlich!

Das ist keine leichte Übung, aber auch hier gilt: Übung macht die Meisterin. Peu-á.peu versuche, dieses Alleinsein, dieses hundertprozentig Du- und in der Liebesein, mit hinaus zu anderen Menschen „zunehmen“.

Mir hilft es dabei, ganz achtsam zu sein. Ich bin ganz da, ohne etwas dafür oder dagegen zu tun. Im Grunde übe ich nicht einmal, sonst würde ich ja wieder etwas tun. Ich bin wie ein Schiff auf den Wellen, das sich ohne Motor schaukeln lässt. Das gelingt mal kürzer, mal länger und es ist eine wunderschöne Erfahrung, von der ich immer mehr möchte.

Sobald ich davon aber mehr möchte, beginne ich zu tun und verlasse das Sein

Beziehungen sind etwas Fragiles, solange sie sich vom Liebemachen und Gebrauchtwerden speisen. Frage Dich so oft Du Dich daran erinnerst, ob Du jemanden liebst oder ihn brauchst. Das ist ein gewaltiger Unterschied!

Menschen, die sich gegenseitig zu hundert Prozent sein lassen (können) und sich selbst auch ihrer eigenen hundert Prozent bewusst sind,  L I E B E N.

Sie sind Liebe. Sie machen nicht Liebe. Deshalb wiederhole ich es hier noch einmal:

Du kannst Liebe nicht machen. Du kannst in der Liebe sein und dann bist Du übrigens auch Liebe.

Woran Du erkennst, ob Du (noch) in der Liebe bist?

Liebe fühlt sich gut an – vollkommen unangestrengt und frei. Mit ihr gibt es keinen Mangel. Es zwingt sie keiner in die eine oder andere Richtung. Es zieht und zergelt keiner an ihr. Sie braucht sich nicht zu verteidigen oder zu rechtfertigen. Sie vergleicht nicht. Sie ist zu-frieden und sie ist (einfach).

Gesegnete Weihnachten, Geliebte(r)!
Ihre Regina Schrott

P.S.: Diesmal hatte ich mich entschieden, den Blogbeitrag in Du-Form zu schreiben, weil er Sie ganz persönlich berühren soll. Ich empfinde, das gelingt mitunter im Du besser.

grüner Narz mich nicht Strich

Regina Schrott ist Zertifizierte Mediatorin und Systemischer Coach. Sie ist spezialisiert auf die Themen funktionale Beziehungsstörungen und psychischer Missbrauch durch Narzissmus. Jeden Montag haben Sie die Möglichkeit, zwischen 10:00 und 12:00 Uhr in ihre kostenlose telefonische Sprechstunde zu kommen. HIER ist der Link zu unserem Buchungskalender.

Regina Schrott ist zudem Autorin. Ihre Bücher erscheinen im EMPATHIE Verlag.


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