Ich wurde schon oft gebeten, einen Blogbeitrag über narzisstische Geschwister zu schreiben. In den letzten sechs Jahren durfte ich so viele Geschwisterkonstellationen begleiten, dass jetzt die Zeit reif dafür ist.
Die drei Hauptauslöser für narzisstische Nöte sind Neid, Scham und innere Leere
Alle drei können komprimiert zwischen Geschwistern in besonderer Weise geschürt und genährt werden.
Im narzisstischen Kontext geht es oft um das Vergleichen mit dem/der anderen:
- Wer ist größer, schneller, besser?
- Wer ist erfolgreicher?
- Wer hat das bessere Erbgut erhalten?
- Wer entspricht mehr den Wunschvorstellungen der Eltern?
- Wer bekommt mehr Liebe und Aufmerksamkeit von den Eltern?
usw.
Wenn sich ein Geschwisterteil vom anderen (oder den anderen) nicht emanzipieren kann und nicht sein eigenes, selbstbestimmtes Leben führt, entsteht das Gefühl von Unterlegenheit und damit Neid und Scham.
Neid ist ein destruktives Gefühl, das eine gesunde Selbstwirksamkeit verhindert. Wenn ich jemandem etwas neide, bleibe ich in einem passiven Vergleichen, anstatt aktiv an meiner Situation etwas so zu ändern, dass ich selbst damit zufrieden bin.
Bei einer narzisstischen Akzentuierung bedeutet das immer ein Gefühl von Zukurzkommen – ein Mangelgefühl.
Erlebe ich mich im Mangel – fühle ich mich als Opfer
Als Opfer meines von mir empfundenen überlegeneren Geschwisterteils, das seine oder ihre Ent-scheidungen aus sich heraus trifft, glaube ich dessen oder deren Entscheidungen wären gegen mich, was in der Realität nicht stimmt. Erwachsene Menschen, die in der Lage sind, ihr Leben selbstbestimmt zu leben, treffen ihre Entscheidungen aus sich heraus. Für sich selbst – niemals gegen jemanden.
Aus der narzisstischen Perspektive wirkt dies aber anders. Es kann sich so anfühlen, als wären alle gegen mich; als würde mir durch die Entscheidungen des anderen etwas weggenommen und ich erwarte und fordere ein, dass die anderen auf mich zu reagieren haben.
Außerdem kann es innerhalb einer Familie verschiedene Vorstellungen von Verbundenheit und Zugehörigkeit geben.
„Einer für alle –
alle für einen“
Dieses Zitat wird im Narzissmus gerne missbräuchlich ausgenutzt und als Bedingung für ein Familienideal hingestellt. Das Problem sind dabei aber vor allem die unterschiedlichen Wertvorstellungen, die eben nicht automatisch für alle Familienmitglieder gleich sein müssen und brauchen.
Daraus entsteht eine imaginäre Schuld, die mit Schuldzuweisungen und Schuldgefühlen einhergeht. „Der andere ist schuld daran, dass ich weniger habe/bekomme/wert oder frei bin etc.“
Oft weiß das emanzipierte Geschwisterkind gar nichts von dieser „Schuld“, bekommt sie aber ständig vorgehalten und dadurch wird ein künstliches Gefälle provoziert, dem oft auch die gemeinsamen Eltern hilflos gegenüberstehen. Auch deren Liebe wird in Frage gestellt: „Ihr liebt mich weniger.“
Es beginnt ein Lebens langer Konkurrenzkampf des narzisstischen Geschwisterkinds um die Gunst der Eltern gegen das andere oder die anderen, und das am eigenen Leben vorbei.
Wenn dieser durch Leistung und Erfolg nicht getoppt werden kann, wird gemobbt
Familienmobbing nenne ich das, gibt es vermutlich gar nicht, aber so fühlt es sich an. Der als erfolgreicher oder auch freier und kreativer wahrgenommene Teil der Familie muss aus der narzisstischen Not heraus, bekämpft werden. Dies kann auf unterschiedliche Weise passieren, z.B. durch Deformierung, Intrigen, Instrumentalisierung der Eltern usw.
Auch das Inszenieren von Dramen eignet sich, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und verstärkt den Vorwurf der Schuld. Der andere soll sich schämen, wofür auch immer.
Oft werden Anschuldigungen in den Raum gestellt ohne wirkliches Bedürfnis der Klärung einer Situation. Das kann sich mitunter über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinziehen und auf beiden Seiten Kränkungen erzeugen, die nie gelöst werden, weil sich – meist der narzisstisch akzentuierte Part verweigert.
Du bist schuld, und deine Wahrnehmung interessiert mich nicht
Sei es durch Ghosting oder vorgeschobene Gründe, wie z.B. zu viel zu tun zu haben oder so viele eigene Probleme, wird eine Aussprache absichtsvoll verhindert und der andere so lange in eine Bittsteller-Position gedrängt, bis dieser die Kraft und Energie verliert, etwas klären zu wollen oder auch zu können.
Manchmal liegen Situationen, die einem zum Vorwurf gemacht werden, so weit in der Vergangenheit, dass man sich schlicht und einfach gar nicht mehr erinnern kann oder sie in der Gegenwart absurd erscheinen und es auch sind.
Narzisstische Geschwister Beziehungen prägen soziale Beziehungen generell und ein Leben lang
Ich muss mir meiner Position im Familiensystem bewusstwerden, damit ich darüber feststelle, welche Beziehungen ich mit anderen Menschen führen kann und möchte. Wenn ich das nicht tue, dann bin ich immer in Beziehungsmustern (gefangen), die meiner eigenen Familie ähnlich sind.
Es geht um Selbstverantwortung und das eigene, unabhängige Erwachsenwerden
Auch wenn es heißt, das Blut dicker als Wasser ist, entwickeln sich Geschwister unterschiedlich, und das ist gut so. Menschen mit einer narzisstischen Akzentuierung verhindern durch mangelnde Selbstreflexion ihr eigenes Wachstum. Sie bleiben irgendwo in ihren Kinder- oder Jugendzeiten stecken und reagieren auf Einflüsse von außen wie Acht- oder Zehnjährige, selbst wenn Sie längst erwachsen sind, bzw. sein sollten. Das erschwert übrigens auch jede Kommunikation auf Augenhöhe.
Es ist so, als wäre der eine tausende Kilometer mit dem Zug unterwegs gewesen und der andere einfach irgendwo lange vorher ausgestiegen oder gar nie in seinen eigenen Zug des Lebens eingestiegen, verlangt aber, dass der andere gefälligst zurückzukommen hat.
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Das Leben lebt sich vorwärts, nicht rückwärts!
Natürlich entsteht in der Geschwisterbeziehung ein Gefälle auf Grund einer Unmöglichkeit. Niemand kann einen anderen Menschen seine Nicht- oder Andersentwicklung aufzwingen, aber es lässt sich daraus ein narzisstischer Dauervorwurf machen, der jede Beziehung vergiftet. Es entstehen unüberwindbare Hürden auf beiden Seiten.
Bei Erbstreitigkeiten wollen alte Rechnungen beglichen werden
Die eigene Unfähigkeit, sein Leben selbstbestimmt und unabhängig zu leben, wird dem anderen in Rechnung gestellt. Dass diese oft absurd ist und es dadurch auch kaum zu einer gütlichen Einigung kommen kann, ist deshalb fast logisch. Auch, dass sich Erbauseinandersetzung wieder über Jahre hinziehen können, resultiert daraus.
Bis einer aufgibt, nachgibt und einfach frustriert kapituliert. Damit ist alles in Scherben. Der narzisstische Geschwisterpart fühlt sich in seiner Opferrolle bestätigt und das Drama geht weiter und immer weiter, manchmal über Generationen hinaus.
In narzisstischen Elternhäusern mit zwei Geschwistern habe ich in den letzten Jahren Folgendes beobachten können:
Gehen wir von einem Extremfall aus, weil man emotionalen Missbrauch nicht sehen kann: beide Kinder werden vom Vater geschlagen und jedes trifft für sich eine überlebensnotwendige Entscheidung.
Das eine Kind entscheidet sich für Narzissmus, das andere wählt für sich eine aufopfernde Empathie und entwickelt durch seine Überangepasstheit eine Form von Not-Helfersyndrom.
Beide Geschwister lenken sich von den Elternwunden ab und outsourcen ihre Gefühle, indem sie sich – statt mit der Aufarbeitung ihrer eigenen Traumata – mit anderen Menschen beschäftigen.
Das Kind mit der narzisstischen Wahl sagt sich: „Bevor mich jemals jemand wieder schlägt, werde ich zuerst zuschlagen und das noch härter, als mein Vater das gemacht hat.“
Das Kind mit dem entwickelten Helfersyndrom sagt sich: „Ich will auf keinen Fall so werden wie mein Vater. Ich werde niemals jemanden schlagen, lieber lasse ich mich schlagen.“
Damit ist für beide Kinder leider auch die Wahl für ihre zukünftigen PartnerInnen klar – sie werden sich zum Gegenpol hingezogen fühlen und wiederum Kinder bekommen und ihre Traumata von Generation zu Generation fortsetzen, nach dem Prinzip:
Verletzte Menschen verletzen
… oder lassen sich weiterhin verletzten, weil auch sie ihre Muster nicht selbstreflektiert durchbrechen und aus dem Dramadreieck aussteigen können.
Ein kurzes Video zum Ausstieg aus dem Drama-Dreieck Teil 1
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Das 2. Video zum Ausstieg aus dem Drama-Dreieck
Übermäßiger Konsum von Alkohol und Drogen, Flucht in eine virtuelle (Spiel)Welt, Adrenalinkicks und unterschiedliche Formen von Depressionen können die Folgen einer nicht aufgearbeiteten Kindheit sein und den dritten Nährstoff für Narzissmus und damit auch narzisstische Geschwister bilden: die innere Leere.
Wer sich innerlich leer fühlt, dem fehlt die intrinsische Motivation, sein Leben unabhängig und frei zu leben. Er ist verstrickt in Familiensystemen und Dynamiken, denen er die Schuld für sein „Elend“ gibt.
Es ist jedem möglich, sich seinem Schatten zu stellen und ins Licht zu treten
…und für sich selbst und seine Mitmenschen die richtige Entscheidung zu treffen. Ich bin überzeugt, dass diese richtige Entscheidung immer mit wahrer Selbstliebe beginnt.
„Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ (Matthäus 22:37-39) bedingt die aufrichtige Auseinandersetzung mit Neid, Scham und innerer Leere.
- Wer neidisch ist, kann sich und anderen nichts gönnen.
- Wer sich schämt, sucht unweigerlich die Scham bei anderen.
- Wer sich innerlich leer fühlt, sucht sich ständig im Außen.
Mein Rat für Menschen mit narzisstischen Geschwistern
Bleiben Sie bei sich. Werden Sie sich Ihrer eigenen Werte bewusst und leben Sie danach. Hören Sie auf, immer und immer wieder auf das narzisstische Geschwisterkind zu reagieren und wählen Sie innerhalb der Familie eine offene und transparente Kommunikation, am besten schriftlich, indem Sie alle ins CC setzen, die ein bestimmter Sachverhalt betrifft.
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Es grüßt Sie herzlich,
Ihre Regina Schrott
(Gründerin von Narz mich nicht®, Systemischer Coach, Zertifizierte Mediatorin und Autorin)
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Wieso 3 Monate? Weil die Umprogrammierung von Jahre langer narzisstischer Manipualtion neurowissenschaftlich nicht in ein paar Coachingstunden funktioniert. Wir von Narz mich nicht haben in den letzten 6 Jahren über 3.000 Menschen geholfen, ihren Narzissmus in der Familie und im Freundeskreis erfolgreich zu überwinden.
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