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Bevor alle über mich herfallen, weil ich es wage, diese Frage zu stellen. Stop! Ich bin quasi mit Beethoven groß geworden. Sonntags gab es meistens schon zum Frühstück seine Musik, gleich nach „Du holde Kunst“ und mittags erneut. Mein Vater liebte damals wie heute Beethoven und mein Bruder und ich wurden angehalten, für einen Schilling zu erraten, welcher Ausschnitt welcher Symphonie Beethovens gerade über die Schallplatte zu hören war. Nachmittags spazierten wir dann in Nussdorf und im Kahlenbergerdorf auf den Spuren des Maestros.

Ich habe über Ludwig van Beethoven bereits 2013 ein erstes Stück und für das diesjährige Beethoven Jahr das zweite Stück geschrieben und alles Mögliche und Unmögliche über diesen Musiktitan recherchiert. Bei seiner 4. Symphonie heule ich regelmäßig und ich liebe sie, diese fehlenden Töne in Beethovens Werken, die eine Spannung provozieren, die ich weder bei Tschaikowski (den ich auch sehr schätze) und auch nicht bei Prokofjew oder bei sonst einem Komponisten kenne. Kurz und gut, ich achte Beethoven wirklich sehr und ich behaupte:

Beethoven war ein Narzisst mit einer
ausgewaschenen Störung

Ganz unbestritten hatte Beethoven ein grandioses Selbstbild (auch wenn sein Mythos diesen nachträglich als verdient bestätigt). Er bezeichnete sich Zeit seines Lebens selbst, einem altägyptischen Pyramiden-Text zitierend: „Ich bin alles, was ist, was war, was sein wird.“ Seine Mitmenschen waren in seinen Augen allerdings allesamt „nichts“. Es gab nur sehr wenige Menschen, die er nicht seine Missachtung offen spüren ließ.

Gerade seine Konversationshefte, durch die Beethoven sich auf Grund seiner zunehmenden Taubheit mit seinen Gesprächspartnern schriftlich unterhielt und mit Randbemerkungen ergänzte, sind sehr aufschlussreich über die wahren Gedanken des Maestros über seine Mitmenschen. Sehr deutlich bekennt er sich darin zu Menschenhass und -verachtung. So schreibt Beethoven u.a. wie er seine Mitbürger empfindet: „als bloße Instrumente, worauf ich, wenn’s mir gefällt, spiele … ich taxiere sie nur nach dem, was sie mir leisten.“

Allerdings bemüht er sich „gegen alle Menschen äußerlich nie die Verachtung merken zu lassen, die sie verdienen, denn man kann nicht wissen, wo man sie braucht.“ Das ist ein typisches Merkmal von Narzissmus: egoistisch, ausschließlich auf eigene Bedürfnisse bedacht sein und andere Menschen nur als Mittel zum Zweck dulden. Seinen Sekretär, Anton Schindler, titulierte Beethoven als „nichtswürdigen Gegenstand“. Diverse Haushälterinnen bewarf er mit Stühlen und quälte sie, wo er nur konnte.

Auch wenn er sich gern in adeligen Kreisen aufhielt und von dieser Seite immerhin 4000 Gulden Jahressalär erhielt, spottete er über den Adel, wo er nur konnte. Zu Goethe soll er in Tepliz über die Kaiserin und anwesende Herzöge gesagt haben: „… diese müssen uns Platz machen, wir nicht. Da ist keine Prinzess, die den Tasso länger anerkennt als der Schuh der Eitelkeit sie drückt.“ Zu anderer Gelegenheit notierte er in eines seiner Konversationshefte:

„Mit dem Adel ist leicht verkehren,
wenn man etwas hat, womit man ihm imponiert.“

Und imponieren konnte er. Dass Beethoven an die siebzig Mal allein in Wien umzog, lag vor allem an seiner rücksichtslosen Art. Der Maestro komponierte am liebsten mitten in der Nacht oder tobte lautstark durch seine Wohnungen, wenn alle Welt schlief. Er pöbelte alle an und beschimpfte seine Vermieter, wenn sie ihm zu freundlich kamen und um Rücksichtnahme baten. Keine Wohnung, kein Haus, keine Vermieter passten zu seinen hohen Ansprüchen.

Er duldete keine Widerworte. Niemand konnte ihm das Wasser reichen. Er war eine Ausnahmepersönlichkeit par excellence und forderte von allen Seiten, genauso behandelt zu werden, was sich auch in seinen außergewöhnlich hohen Honorarforderungen zeigte. Kein Künstler vor ihm, hat diese Beträge für sich gefordert. Und sie wurden ihm bezahlt.

Trotz seines Vermögens hatte Beethoven ständig finanzielle Existenzängste. Er knauserte nicht nur beim Wein und allen Nahrungsmitteln des täglichen Lebens, er wusste auch, wo es die billigste Schuhwichse gab und war zornig, wenn eine Haushälterin für Salz oder Essig zu viel ausgegeben hatte. Und wehe ihr, sie nahm auch nur eine Kaffeebohne (es mussten akkurat 60 Bohnen pro Kaffeetasse sein) zu viel.

Beethoven kontrollierte alle und jeden. Er war so dermaßen misstrauisch, dass sein Leben jenseits der Kunst ein einziger anstrengender Kampf war, außer in der Natur. In der Natur scheint er Frieden gefunden zu haben – unter den Menschen nur Streit und Missgunst.

Dass er keine einzige lange Beziehung zu einer Frau ausgehalten hat (oder sie mit ihm), ist ein weiterer Hinweis auf Beethovens narzisstische Störung. So verstehe ich auch seinen unfassbar schönen Liebesbrief, der sogar in die Weltliteratur Eingang fand. Beethoven hat ihn nie abgeschickt und bis heute rätselt man, welcher Frau, welchem Menschen er ihn gewidmet hat. Ich denke, er war in Wahrheit an sich selbst gerichtet, wie Narziss am See knieend sein eigenes Spiegelbild liebte.

„Ewig dein. Ewig mein. Ewig uns.“

Der Gerichtsstreit, den Beethoven mit unfassbar zerstörerischer Energie und Inbrunst gegen seine Schwägerin Johanna van Beethoven um das Sorgerecht seines Neffen Karl geführt hat und welche Mittel der Lüge und Niedertracht ihm dabei behilflich waren, füllt mehrere Aktenordner. Interessant, dass man in den glorifizierenden Biografien über Beethoven diese Wahrheit des Genies ausklammert. In diesen fünf Jahren war es Beethoven nicht möglich, auch nur eine Note zu komponieren. Fünf Jahre lang hat er sich durch seinen Hass und seine Intrigen dermaßen selbst blockiert, dass ihn sogar die Muse mied.

Dass Beethoven seinen Neffen Karl in den versuchten Selbstmord trieb, weil dieser den Leistungsdruck, die Drohungen, die Liebeserpressungen und die Isolation zu seiner Mutter nicht mehr ertrug, wird oft als Unfähigkeit Karls dargestellt. Der psychische Missbrauch, den Beethoven an dem Kind ausübte, würde das grelle Licht auf das Genie Beethovens verfinstern.

Beethoven liebte nicht. Er besaß.

Menschen waren Objekte, die ausschließlich ihm zu huldigen und alle anderen Beziehungen für ihn zu opfern hatten.

Obwohl oder vielleicht gerade weil Beethoven im Grunde extrem vergiftend war, hatte er große Angst, selbst vergiftet zu werden. Deshalb ließ er manche Speisen und Getränke vorkosten. Und auch das spricht für seine narzisstische Störung. Ich pflege zu sagen: Nur Diebe haben Angst, dass ihnen etwas geklaut wird.

Den einzigen, den Beethoven bei allem Größenwahn fürchtete, war Gott. „Nach Gott ist mir meine Ehre das Höchste.“, sagte er und bekannte in grausamer Härte auch gegen sich selbst: „Du darfst nicht Mensch sein, für dich nicht, nur für andere: für dich gibt es kein Glück mehr als in dir selbst, in deiner Kunst. O Gott, gib mir die Kraft, mich zu besiegen!“

Das hat er! Der Preis, den nicht nur Beethoven, sondern auch alle seine Mitmenschen dafür zahlten, war sehr hoch. „…ich schreibe Noten überhaupt nur aus Nöten.“

Wenn wir in meinem Theaterstück über Beethoven am Schluss alle zusammen seine „Ode an die Freude“ singen, dann kann man die gewaltige Sehnsucht nach Liebe spüren. Nach der Liebe, die Quelle für so viel Schönes und ohne die all unser Tun leer und sinnlos ist.

Und so nur möchte und kann ich Beethovens geniales Werk verstehen.

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