Dieser Blogbeitrag über eine Generation der Selbstoptimierer und deren gesellschaftspolitisch gefährlichen Auswirkungen ist ein Versuch einer Kurzanalyse von Kooperationspartnerin und Psychologin Eva Nikolov-Bruckner.

Narzissmus, Autokratie, ungezügeltes Machtstreben – wie hängt das zusammen? 

Kürzlich lief im österreichischen Rundfunk auf dem Sender Ö1, der sich mit aktuellen Trends in vielen gesellschaftspolitischen Feldern auseinandersetzt, eine Serie zum Thema Narzissmus. Das Thema war Teil eines sogenannten Radiokollegs, lief über mehrere Staffeln (von Montag bis Donnerstag) und ließ dabei unterschiedliche namhafte ExpertInnen auf diesem Gebiet zu Wort kommen.

Das Thema liegt – wie ausdrücklich betont wurde – im gesellschaftspolitischen Kontext in einem nicht zu übersehenden Trend angesichts neuerer Entwicklungen in der weltweiten Politik

Natürlich kann man bei diesem Themenschwerpunkt die neueren, weltweiten Entwicklungen in der Politik und das Emporkommen von immer gefährlicher werdenden Autokraten nicht übergehen.

Ein Großteil der westlichen Welt steht fassungslos vor den aktuellen Entwicklungen und fragt sich, was schiefgelaufen ist, wenn größenwahnsinnige Politiker in wichtige und mächtige Ämter gelange

In diesen stellen sie gesamte Weltordnungen (oder sollte man vielleicht inzwischen von Welt-Unordnung sprechen?) auf den Kopf und/oder zerstören diese. Solche PolitikerInnen (jetzt muss ich wieder gendern – vor allem wenn ich nach Europa blicke) sind ganz legal per „demokratischer Wahl“ ins Amt gekommen.

Ich möchte hier auf Europa und die EU hinweisen, wo zumindest die meisten Vorzeigefrauen aus dem „rechten Lager“ noch nicht so weit an der Macht sind. Selbst die scheinbar gemäßigt rechte Ministerpräsidentin (auch Trump-Flüsterin genannt) hat zum Glück noch um sich herum Regeln, Gesetze und ein Parlament mit seiner regulierenden Funktion im Hintergrund!

Narzissmus in der (Welt)Politik – und seine gefährlichen Auswüchse

Das Pendel der Geschichte schlägt angeblich immer wieder mal in extreme Richtungen und spült damit recht fragwürdige politische Figuren an die Oberfläche. Viele fragen sich immer wieder, warum plötzlich ein Wahlvolk für Parteien und deren Vorsitzende stimmt, die ganz offensichtlich demokratische Prinzipien aushebeln wollen.

Blicken wir doch in die Geschichte der letzten hundert Jahre in Mitteleuropa: Hier sehen wir, gerade im deutschen Sprachraum, wie schwierig es war, die Ideen von einer solidarischen demokratischen Gesellschaft in gelebte Praxis umzusetzen. Dabei wird uns auch klar vor Augen geführt, wie sehr wirtschaftliche Sicherheit und die gerechte Verteilung von Ressourcen auf politische Tendenzen einwirken.

Die Periode der Zwischenkriegszeit (also die 1920er und -30er Jahre) zeigen vor allem im deutschsprachigen Raum den Kampf um ein neues demokratisches und solidarisches System

Dieses steckte damals noch in den Kinderschuhen. Was diesen inneren und äußeren Kampf schließlich zum Kippen brachte war wohl auch der Börsencrash (New Yorker Börse) – dem schwarzen Freitag des Jahres 1929.

Dieser Crash resultierte ausgehend von den USA mit ihren „modernen“ kapitalistischen Trends (Konsum um jeden Preis) in einer tiefen Rezession – weltweit. Das riss auch die europäische Wirtschaft tief in einen Abgrund (sprich „Weltwirtschaftskrise) und Arbeitslosigkeit, Armut und Elend stiegen sprunghaft an. Ein idealer Nährboden für das Aufkommen von Autokraten, Diktatoren, Faschisten von der extremsten Sorte!

Ein Teil Europas wurde faschistisch

Dazu gehörten Italien, Spanien durch politischen Putsch. Das Schlimmste aber folgte, wie wir alle wissen in Deutschland – Hitler wurde „demokratisch“ gewählt! Und Ende der 1930 Jahren folgte auch noch Österreich.

Seither wurden hundert- bis tausendfach Literatur dazu geschrieben – mit der Frage: Wie konnte das passieren? und der Devise: Nie wieder!

Und wo stehen wir heute???

Die Wiederkehr der faschistoiden Autokraten (meist krankhafte NarzisstInnen)

Seit der Wiederwahl Donald Tumps in den USA und seinem Amtsantritt im Januar 2025 steht ein Großteil der westlichen Welt kopfschüttelnd vor folgendem Phänomen: Wie können zwei offensichtlich nicht ganz richtig tickende Polit-Clowns die gesamte Welt in eine gefährliche Sackgasse hineinmanövrieren? Und niemand hält sie auf. Das Ausmaß an Zerstörung und destruktiver Energie, dass sich hier innerhalb weniger Wochen entlädt ist geradezu überwältigend. Und nach wie vor jubelt eine begeisterte Menge Donald Trump zu, wenn er sich mit seinen verbündeten Kriechern und Speichelleckern vor das Mikrofon stellt und lauthals verkündet, welche „Feinde“ er demnächst wieder mit welchen drastischen Mitteln zu „strafen“ droht . Und das in einer angeblichen Demokratie!

Es scheint kaum Gegenwind zu geben

Und viele seiner Gegner (mit wenigen Ausnahmen) stehen zum Teil noch immer wie gelähmt – wie das Kaninchen vor der Schlange. Sie sehen zu, wie er gemeinsam mit seinem verbündeten Multi-Multi-Milliardär die halbe Welt auf den Kopf stellen will.

Zugegeben, es ist nicht jedermanns/jederfrau Sache auch noch ein wenig unabhängige Medien (die inzwischen auch schon diktatorisch verfolgt werden) zu lesen. Nicht alle versuchen nachzuvollziehen, was seine verworrene und aggressive Zollpolitik auch mit den „kleinen Leuten“ in den USA anstellen wird. Aber ich frage mich dennoch:  Wo ist noch der prinzipielle Unterschied in der Rezeption seiner inszenierten Propaganda-Auftritte mit denen anderer autokratischer und diktatorischer Führer?

Ist es nicht auch schon vielsagend genug, wenn jemand so hohe Popularität gewinnt, der in einer TV-Serie den großen Rauswerfer spielt?

Was lieben die Menschen so an seinem „You Are Fired“? Ist es vielleicht sogar eine heimliche Sehnsucht oder eine Faszination, dass so viele den Irrsinn von Selbstoptimierern und deren gesellschaftspolitisch gefährlichen Auswirkungen übersehen?

Im Moment scheint er das mit der gesamten Welt spielen zu wollen, im Sinne von „ihr seid alle böse und habt uns etwas weggenommen und dafür werdet ihr jetzt büßen!“

Rachsucht und „Strafe“ für einzelne und kollektive Kränkung

Strafen, strafen, strafen – eine Mischung aus Oberlehrer der schwarzen Pädagogik und einem gespielten Godfather des alten Testaments. Auch dort finden wir (wie in allen monotheistischen Religionen) einen bösen, rachsüchtigen, eifersüchtigen absolut machtgierigen „einzigen“ Gott der Alleinherrscher-Ansprüche stellt und totale Unterwerfung fordert.

Dieser pathologisch narzisstische Anspruch zeigt sich bei Trump überall in seinem Verhalten und besonders drastisch in seinen Selbstbeurteilungen! In dem Video zu seiner „Selbstevaluation“ (auf youtube & Co) kann man ihn erleben wie er mehrfach sich selbst die Note A+ gibt (die absolute Bestnote) und das immer wieder voll überzeugt wiederholt. Interessant ist dabei auch, dass seine Bewertungen von „nur“ A (ohne +) schon abgewertet werden. Die kämen wohl von den Menschen, die seine Politik nicht richtig verstehen würden – eine typisch narzisstische Abwertung aller derer, die ihn kritisieren würden.

https://www.youtube.com/results?search_query=donald+trump+self+evaluation

Sein geradezu infantiler Narzissmus, der auch viele gefährliche Züge trägt, erinnert stark an das Aufbegehren eines kleinen Kindes in der Trotzphase. Es will unbedingt die Menschen und Dinge, die ihm Grenzen setzen beschimpfen und beleidigen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass bei den letzten unumschränkt herrschenden Diktatoren des 20. Jahrhunderts die extremen Lobeshymnen in den Medien verbreitet wurden,  und der Diktator sich offiziell von anderen in den Himmel heben ließ. Hier sind nicht nur Hitler und Stalin zu sehen, sondern auch viele spätere Diktatoren. Trump selbst reicht das offenbar nicht. Er muss auch selbst die Lobeshymnen auf seine Person durch Supernoten, die er sich selbst gibt, verstärken.

Die dunkle Triade – Machthunger mal drei

Es ist nicht notwendig Trump zum x-ten Mal zu diagnostizieren. Das haben schon viele kluge Fachleute getan! Zumindest fehlt ihm ein Faktor, der ihn zu einem typischen Mitglied der „dunklen Triade“ abstempeln würde. Die dunkle Triade ist ein gefährliches und destruktives Störungsbild, bei dem drei für sich genommen gefährliche Persönlichkeitsstörungen zusammenspielen. Dazu gehören: destruktiver Narzissmus, Psychopathie und ein Phänomen, das unter „Machiavellismus“ bekannt ist. Darunter versteht man ein destruktives absolutes Machtstreben, das von einem sehr strategisch durchdachten Vorgehen angetrieben wird. Das ist wohl etwas, das man Trump nicht vorwerfen kann!  Sein chaotischer Zickzack-Kurs bei seinem „Strafen und deal-making“ lässt beim besten Willen keine Strategie erkennen.

Ein derartiges strategisches Machtstreben lässt sich bei einem europäischen Machthaber erkennen, der seit vielen Jahren strategisch recht geschickt die Demokratie aushebelt. Zugleich lässt er sich von der EU möglichst viele finanzielle Hilfen zukommen. Hier ist die dunkle Triade sicher stärker ausgeprägt. Allerdings nicht mit einer so hohen weltweit wirkenden Machtfülle. Aber gute Strategen schaffen es, eine Demokratie, in der sie gewählt wurden, in eine defacto Autokratie zu verwandeln, und zugleich eine Gesellschaft und deren Willensentscheidungen immer wieder auszubremsen.

Ein weiteres typisch narzisstisches Verhalten besteht in der Abwehr jeglicher Verantwortung und Schuld

Wenn etwas schiefgelaufen ist und der Schuss auf den Gegner nach hinten losging, dann sind natürlich immer alle anderen schuld. Nur die anderen haben etwas falsch gemacht, oder das Genie falsch verstanden.

Allmachtsgefühl (eines primären Narzissmus) und dessen Einschränkung in der Entwicklung

Die Panik, übervorteilt zu werden ist ein wichtiges Symptom des Narzissmus. Hier ein aktuelles Beispiel:  „Die EU wurde nur gegründet, um die USA ausplündern zu können – und dafür soll nun Rache geübt werden…“

Ganz kurz als Ausgangspunkt: Ein paar erklärende und zusammengefasste Worte von Freud, der primären (normalen) und sekundären (krankhaften) Narzissmus unterschied.

Primärer Narzissmus (im Kleinkind-Stadium) wird überwunden durch gelungene Entwicklung und Sozialisation. Ein Blick auf unsere Welt zeigt:  Offenbar stehen viele Persönlichkeiten an der Spitzte, die scheinbar im sekundären Narzissmus stecken geblieben sind. Das Durchsetzen des eigenen Willens, in Form von pathologischem Narzissmus steht da im Vordergrund. Diese Menschen sind getrieben durch die Angst vor Abwertung und Dauerkränkung, wenn nicht alle der gleichen Meinung sind. Die Reaktionen zeigen Gewalt, Rachsucht, starke Abwertung (des Gegners) resultierend in Aggression bis zur „Vernichtung des Gegners“

Soziales Denken, Gemeinwohldenken, Solidarität, Mitgefühl und Empathie (Zeichen einer reifen Persönlichkeit) sind schon seit Jahrzehnten in Misskredit geraten. Es herrscht seit den 1990er Jahren eine fortschreitende Umwandlung des geopolitischen Verständnisses von Politik.

Narzissmus als gesellschaftliches Phänomen entwickelt sich zu einem neuen destruktiven Aspekt

Bisher wurde Narzissmus nur als etwas Negatives gesehen. Heute wird oft extrem narzisstisches Verhalten belohnt.

Ausgehend von Freud sollte eine reife und psychisch gesunde Persönlichkeit irgendwann ein gemeinschaftlich gültiges Über-Ich als gesellschaftliche Norm ansehen. Dabei geht es nicht nur um das eigene Ich und die eigenen (oft infantilen) Bedürfnisse, sondern um moralisch-ethische Normen. Das Individuum mit seinen individuellen Wünschen wird durch Gesetze und Normen reguliert. Heute scheinen sich absolute Machtbestrebungen, die sich weder um Gemeinschaft noch um Ethik und Recht im Sinne einer Gemeinwohl-Gesinnung durchzusetzen. Dies unterstützen vor allem die dauernde Präsenz und Sichtbarkeit vorrangig durch soziale Medien. Hier zeigt die heutige Konsum- und Konkurrenzgesellschaft ihre gefährlichen Auswirkungen: Die Herrschaft des „Über-Ichs“ in Form von Regeln, Gesetzen, ethischen Normen steht nicht mehr im Zentrum!

Persönliche Zielsetzungen und das Durchsetzen der individuellen Wünsche um jeden Preis werden gesellschaftsfähig – teilweise sogar bewundert

Damit ist der Weg für die schlimmsten Autokraten und Narzissten an die Macht geebnet!

Die Revolutionäre Bewegungen der 68er versuchten alte Normen und eingefrorene gesellschaftliche Regeln (die auch das Nazi-Regime widerspiegelten) auf den Haufen der Geschichte zu werfen. Allerdings ist das Resultat offenbar ganz schiefgelaufen!

Wir leben in keiner „befreiten Gesellschaft“ es herrscht stattdessen die „narzisstische“ Gesellschaft eines erträumten Ich-Ideals!

Hierzu beschreibt Hans Joachim Maaz in seinem Buch: „Die narzisstische Gesellschaft“ das sogenannte „Größenselbst“ als Zusammenspiel von Narzisst und Co-Narzisst. Der krankhafte Narzisst braucht seinen/ihren Bewunderer. Diese voneinander abhängige Dyade des Herrschenden und Bewundernden lässt sich auch auf unsere gegenwärtige Gesellschaft übertragen.

Hans Joachim Maaz behauptet auch, dass der Arbeitsmarkt NarzisstInnen braucht und die „Geiz ist Geil“-Mentalität den narzisstischen Persönlichkeiten entgegenkommt. Druck und Zwang, sich selbst zu beweisen, steigen an.

Dabei spielt auch ein möglichst übersteigertes (öffentliches) Selbstlob eine wichtige Rolle

Als Beispiel kann hier wieder D. Trump dienen. Der Paradenarzisst der westlichen Welt gibt sich, gefragt nach seiner Selbstevaluation selbst ein A+!!! Er sei so großartig, so wie es noch nie einen Präsidenten gegeben hat!

Wenn es doch nicht so traurig wäre, dass dieser Mensch eine so ungeheure Macht hat – er hat bereits bewiesen, wie man langjährig Aufgebautes in nur wenigen Tagen und Wochen zerstören kann – es könnte eigentlich zum Lachen sein. Ist es nur leider nicht!!!

Dieser Politclown ist für uns alle brandgefährlich!

grüner Narz mich nicht Strich

Psych. Eva Nikolov-Bruckner hat auch noch weitere Blogbreiträge geschrieben. Hier ist nur eine kleine Auswahl, die Sie interessieren könnte:

In welcher Balance sein?

Ein schwieriges Thema – Freiheit und Narzissmus

Gesunder Narzissmus – für wen?

Mit Regina Schrott (der Gründerin von Narz mich nicht®) schrieb Eva Nikolov-Bruckner zusammen ein wienerisches Buch über Narzissmus, das im EMPATHIE Verlag erschienen ist: „Narzissmus ist anstrengend“

Zudem bietet Eva Nikolov-Bruckner Gutachtenvorbereitung an, wenn jemand im Sorgerechtsstreit ein psychologisches Familiengutachten „aufgebrummt“ wurde.

 

 


0 Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Avatar-Platzhalter

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert