Dieser Blogbeitrag In welcher Balance sein? ist von Psychologin Eva Nikolov-Bruckner. Sie stellt uns eine Menge wichtiger Fragen zum Thema „In Balance sein“:
- Wie in Balance sein?
- Was heißt „Balance“ überhaupt?
- Was balanciert sich gegeneinander aus?
- Was genau hält sich konkret die Waage?
- Sind wir in Balance, wenn wir uns bester Gesundheit – als Abwesenheit von Krankheit, sowohl physische wie psychisch – erfreuen?
- Bedeutet psychische „Robustheit“ – gerne als Resilienz bezeichnet – in Balance zu sein?
- Genügt uns Zufriedenheit oder müssen ständig alle (total) glücklich sein?
Wäre jemals ein Frühling so reizvoll und vielversprechend, wenn nicht nach einer langen grauen, dunklen und kalten Zeit die Sonne die Erde wieder wachküsst. Und alles beginnt zu grünen und zu blühen! Würden wir das Wochenende, die Feiertage, den Urlaub ebenso genießen können, wenn er ständig aktuell wäre?
Eine interessante Studie, deren Ergebnisse kürzlich veröffentlicht wurden, besagt:
Ein Großteil der Menschen meinte auf die Frage, ob sie nach einem Lotto-Sechser aufhören würden zu arbeiten, dass sie weiter arbeiten würden
Das Ergebnis hat mich überrascht, aber es zeigt auch, dass viele Menschen offenbar den reinen Luxus nicht als einzigen Lebenssinn ansehen. Nicht jede Möglichkeit muss unbedingt realisiert werden. Und Freiheit kann auch bedeuten, man kann die Situation selbst verändern – man hat Vieles selbst in der Hand. Gerade das Wechselspiel scheint das Leben besonders reizvoll zu machen.
Ein Beispiel: Viele Menschen fliehen vor den kalten, grauen Wintern der Nordhalbkugel zumindest für ein paar Tage oder Wochen in den sonnigen Süden. Mal abgesehen von der CO2 Bilanz beim Fliegen, eine durchaus nicht nur angenehme, sondern auch gesundheitsfördernde Entscheidung. Unser Körper brauch Sonnenlicht, nicht nur für die körperliche, sondern auch die seelische Gesundheit.
Wir wollen einen Mangel ausgleichen, um uns wieder in „Balance“ zu bringen
Sehr wohltuend! Ich selbst habe in den letzten beiden Jahrzehnten viele Wochen (meist im Winter und vorzugsweise im Februar) in Sri Lanka, bei Freunden verbracht. Und das nicht nur am Strand, sondern im Zusammenleben mit Land und Leuten und teilweise auch als Unterrichtende an Schulen und in (Englisch)kursen.
Ich möchte diese Zeit nicht missen. Ich habe sehr vieles gelernt über die Menschen, ihre Sprache, Mentalität, Natur und Klima, Politik und Gesellschaft. Bei der Rückkunft in ein (noch immer) kaltes und graues Wien habe ich vorerst das Licht und die vielen Farben, die Buntheit und das ausgiebige Lächeln der Menschen dort vermisst.
Aber ich konnte mich genauso wieder freuen, dass auch bei uns (bald) ein neuer Frühling kommen würde, es wieder hell und grün würde! Und da habe ich mich gefragt: Wäre die Freude darüber so groß, wenn ich ständig in subtropischen Gegenden leben würde, wo es eigentlich keine Jahreszeiten gibt (mal ausgenommen zwei Monsun-Monate, wo das Land den dringend benötigten Regen bekommt)?
Meine Antwort war: Nein! Wir brauchen auch für die innere Balance ein gewisses Maß an Abwechslung, was manchmal auch bedeuten kann schwierige Phasen!
Balance – als Finden der eigenen Mitte
Und schon kamen mir verschiedenste Anstöße dazu aus Philosophie und Literatur in den Sinn. Wie schrieb schon Goethe in seiner Ballade vom Schatzgräber… (nach wie vor lesenswert und gut zur Reflexion!):
„Tages Arbeit, abends Gäste, saure Wochen, frohe Feste … sei dein künftig Zauberwort…!“
Tiefe Wahrheiten in einer simplen Parabel! Ähnlich tiefsinnig ist Hermann Hesses Reflexionen über das Glück in seinem Gedicht „Stufen“:
„Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen. Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.“
Und weil wir schon bei Hesse sind: In seinem Roman Siddhartha beschreibt er dessen Suche nach „Beendigung des Leidens“, nämlich den buddhistischen „Weg der Mitte“:
Gautama Siddharta (der Buddha) suchte Erfahrungen auf seinem Weg zur Befreiung vom Leiden… Was er schließlich herausfand: Weder Aushungern, noch „Völlern“ – auch wenn uns der dicke (lachende) Buddha, wie man ihn oft in chinesischen Restaurants findet als positives Ideal vorgestellt wird – führen uns zum Ziel.
Allerdings ist diese Sichtweise in unserer westlichen Konsumwelt auch nicht besonders populär. Man stelle sich vor, die Menschen wären zufrieden mit dem, was sie haben und wie sie leben (ein wirtschaftlicher Totalcrash!!!). Ich weiß, das ist gesellschaftspolitisch brisant, weil es die Ungleichheiten in der Lebensqualität stabilisieren würde.
Unser gesamtes System beruht darauf, dass wir immer mehr von irgendwas haben sollten, selbst wenn wir es genau genommen nicht zu unserem „Glück“ brauchen
Umfragen führen allerdings immer häufiger zu dem Ergebnis, dass ein erfülltes Leben mit guten sozialen Beziehungen (Familie, Freunde, Bekannte) mehr verbunden ist als mit Geld und Luxusgütern. Das führt uns zu der logisch anschießenden Frage:
Wieweit machen wir uns selbst unglücklich – oder lassen uns von Medien unglücklich machen?
Sind wir hier wieder einmal beim Thema der künstlich geschaffenen Bedürfnisse? Kann ich mit meinen eigenen menschlichen Unzulänglichkeiten leben oder lasse ich mich von Werbe/social media–Idealen täglich und stündlich aus meinem Gleichgewicht herauskippen?
Freundschaft schließen mit sich selbst und den eigenen „Mängeln“ – ist auch immer eine Frage dessen, wer oder was als „Mangel“ oder Fehler von wem bezeichnet wird.
Wir haben die Chance, das alles auch für uns neu zu deuten und zu bewerten. In der kognitiven Psychotherapie wird es als „kognitive Umstrukturierung“ bezeichnet. Wir haben für uns selbst die Chance, dem ständig auf uns einwirkenden „Schneller – Höher – Weiter“ (oder auch schöner, erfolgreicher, skrupelloser!) zu entgehen, indem wir für uns selbst einmal versuchen herauszufinden, was für uns ganz persönlich wichtig ist, und zu einem guten und erfüllten Leben gehört.
Wie können wir also selbst zu unserer inneren Balance beitragen?
Natürlich will ich hier nicht so überheblich sein, den Frauen, die in einer dreifach-Belastung gefangen sind (Kinder-Familie, Haushalt und 8-Stunden tägliche Lohnarbeit) irgendwelche Vorschläge zu machen, für die es einfach Zeit braucht.
Auch will ich nicht Männern etwas weißmachen, die in harter und mühevoller Arbeit, acht Stunden am Tag und noch mehr schuften, dass es an ihnen allein liegen würde, zu einer selbst zu erwerbenden Balance zu finden. Das würde ich als äußerst zynisch ansehen. Hier geht es wohl mehr darum, sich genügend minimale Freiheiten für das „zu sich kommen“ zu organisieren (wieder etwas, das sie selbst bewältigen müssen) – aber…
Jeder noch so kleine Schritt in Richtung „Zeit für mich selbst“ ist hier ein Fortschritt!
Um in innerer Balance zu bleiben, ist es hilfreich, unsere Werte immer wieder zu überprüfen und zu gewichten. Es hilft, sich immer erneut zu fragen:
- Was ist mir wirklich wichtig?
- Was brauche ich für diese Ausgeglichenheit?
- Lebe ich das Leben, das ich leben möchte (geplant hatte)?
Ein wichtiger Weg dahin, ist, in sich selbst einmal hineinhorchen… Das Leben spielt nicht immer genau unsere Melodie, aber ich könnte ja auch versuchen, das Beste FÜR MICH daraus zu machen!
Der Mensch ist angeblich das am besten angepasste aller Lebewesen auf unserem Planeten
Wir haben im Laufe der Jahrtausende gelernt, sowohl in der Kälte der Pole, wie auch in den heißesten Zonen rund um den Äquator zu überleben.
Wir haben also grundsätzlich alle die Fähigkeit, immer wieder in die Balance zu kommen. Je mehr wir uns dessen bewusst sind, umso eher können wir diese Fähigkeiten in uns selbst (re)aktivieren. Einen Versuch sollte es jedenfalls wert sein… nein! ES IST JEDEN VERSUCH WERT!
Ihre Eva Nikolov-Bruckner
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