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Krank durch Schönheits-, Schlankheits-, Fitness- und Jugendkult

Sie machen unglücklich, krank und depressiv. Wie soll man da sein Selbst entwickeln?

Schon in den 1980er Jahren hatte der Soziologe C. Lasch der damaligen westlichen Gesellschaft vorgeworfen immer narzisstischer zu werden. Er sprach dabei gesellschaftliche Gruppen an, die hier besonders anfällig waren: PolitikerInnen, Medienmenschen/JournalistInnen, Stars (SchauspielerInnen/SängerInnen) aus Film, TV und anderen Medien aber auch Wirtschaftstreibende und hohe (überbezahlte?) Führungskräfte.

Die Symptome, die er (eher kollektiv) den einzelnen Gruppen zuschrieb, gelten bis heute. Sie haben sich aber mit den Jahrzehnten verschlimmert. „Politshow“ und grandiose Selbstdarstellung, statt inhaltlicher politischer Arbeit haben sich weiter ausgebreitet. Wirtschaftsbosse, die prahlen und mit Luxus Leben protzen (bevor sie vor dem Richter landen) gehören zum Medienalltag. Viele Symptome in den narzissmusgeprägten Gruppen haben sich intensiviert und verschlimmert.

Ausbreitung von verstärkten Narzissmus Tendenzen – die einzige „Demokratisierung“ die voranschreitet?

Eines konnte Lasch damals aber noch nicht wirklich absehen: Nämlich wie sehr die Digitalisierung der Gesellschaft diese weiter mit narzisstischen Verhaltensweisen „durchseuchen“ würde.

Wie Herbert Czef in seinem Artikel zum aktuellen Thema „narzisstische Gesellschaft“ beschreibt, hat die Digitalisierung seit den späten 0-er Jahren den Narzissmus in sämtliche Wohn-, schlimmer noch Kinderzimmer gebracht. Waren bis zur Jahrtausendwende gewisse narzisstische Verhaltensmuster vorrangig bei Promis zu finden, so ist dieses Phänomen jetzt in jeder sozialen Schicht angekommen. Die Digitalisierung macht es möglich. Sie prägt unser Bild von einer Welt, wie manche sich diese vorstellen (möchten). Jede/r kann sich seine eigene Blase suchen und lässt sich dort bestärken und bestätigen. Die Digitalisierung förderte soziale Isolierung, diverse Süchte, prägt falsche Bilder und macht nicht nur Jugendliche mit sich und der Welt unzufrieden. Die Lockdowns in der Pandemie und die damit einhergehende Isolierung von realem Sozialkontakt tat ihr Übriges dazu.

Die Kinder- und Jugendpsychiatrie (v.a. in Österreich) hat kaum Ressourcen mehr frei. Die Wartelisten für zu therapierende Kinder und Jugendliche sind inzwischen immens angewachsen. JugendpsychiaterInnen schlagen Alarm. Und (zumindest In Österreich) fehlt das Geld für eine Versorgung bei immens angestiegenen schweren (therapiebedürftigen) Fällen.

Die tägliche Konfrontation mit unerreichbaren „Vorbildern“ im Netz; Ideal- und Real-Selbst

Gerade die Zeit der Adoleszenz, zum Teil bis zum frühen Erwachsenenalter, ist eine sehr störungsanfällige Epoche in der menschlichen Entwicklung. Junge Menschen müssen sich von Familie und überlieferten Werten lösen und ein eigenes, für sie gültiges Wertesystem entwickeln. Hier wirken vor allem Gleichaltrige aus der Peergruppe, aber vermehrt auch soziale Medien beim Herauskristallieren eines „realen Selbst“. Dieses sogenannte reale Selbst ist eine Art von Selbstkonzept, das wir im Lauf der Entwicklung als Bild unserer Persönlichkeit herstellen müssen.

Ihm gilt es zu entsprechen, wenn wir einen gesunden Bezug zu uns Selbst und unserer Persönlichkeit herstellen wollen. Im Gegensatz zu einem „Ideal-Selbst“, das wie schon im Namen angedeutet ein Idealbild von uns selbst „zeichnet“.

Je mehr wir es schaffen, ein gutes stabiles Real-Selbst zu entwickeln und uns damit auch ein wenig an das Ideal-Selbst anzunähern, umso größer unsere Chance, geistig/psychisch gesund zu bleiben. Ein stabiles Selbst kann sich unter anderem durch sozialen Vergleich entwickeln. Dabei ist es einerseits wichtig, dass wir gewisse Vorbilder haben, denen wir nacheifern können, ohne dabei den Boden der Realität zu verlassen. Und genau dort ist die Gefahr angesiedelt. Der Boden der Realität ist in der digitalen Welt sehr brüchig bis gar nicht vorhanden. Die digitale Welt unterscheidet nicht zwischen den echten und den falschen Bildern. Oder anders gesagt, in der digitalen Welt bekommen wir viel mehr unechte und vorgespiegelt Bilder als bodenständig echte. In den sozialen Medien werden wir mit idealisierten Bildern zugeschüttet, die uns als zu erreichendes Ideal vorgegaukelt werden.

Werbung mit immer gleichen Mustern – sie bleiben wirksam

Dies kennen wir alle auch schon aus der TV-Werbung; sie spielt mit den gleichen Mustern: Du hast ein Problem! (Problemhaut, Problem-Wohnung, Problem-Figur, Problem-KFZ, Problem-Selbstbild) – die Problem-Objekte sind beliebig austauschbar! „Wir haben die Lösung! Sie besteht darin, dass du ein bestimmtes Produkt kaufst, das diese deine Probleme löst.“ So simpel, so wirkungsvoll! Das Produkt sieht dann so aus: Du siehst das Model, mit dem du dich identifizieren sollst, strahlend, mit dem gekauften Produkt, das deine Probleme löst! Und das möglichst für immer (oder bis die Tube leer oder das Objekt kaputt ist). Und wer möchte nicht so strahlen (wie das Model in der Werbung), auf dem Bildschirm, im Netz! Wir alle sehnen uns nach diesem strahlenden Bild, das wahrscheinlich unserem Idealselbst näherkommt, als das reale.

Zwar nicht nur, aber vorrangig ein weibliches Problem: Die Bilder am Screen werden zu den (Vor)Bildern im Kopf

Die Identifikation von Frauen in der patriarchalen Gesellschaft läuft nach wie vor Großteils über das Aussehen. Alle wollen schön sein, verführerisch, begehrenswert, schöner als andere… usw. Nicht erst seit der Sage von der schönen Helena hält sich der Mythos, dass schöne Frauen so vieles bewirken können (wie im Fall von Helena z.B. Krieg!). In Zeiten, als noch nicht alle den Großteil ihrer Zeit im Netz surften, konnte man die „Reichen und Schönen“ in Journalen sehen oder im TV. Heute sieht man sie ständig immer und überall (wo die Menschen aufs Handy starren). Die Digitalisierung macht’s möglich. Das noch nicht so stabile Selbstbild (geprägt von meist unrealistischem Ideal-Selbstbildern) vergleicht sich ständig mit den tollen „Photoshop-bearbeiteten“ Bildern von allen Supereitlen im Netz, v.a. auf Social Media.

So entstehen Bilder in unseren Köpfen, wie wir auszusehen haben, was schön ist und was verpönt. So darf man z.B. auf weiblichen Portraits keine Falten sehen, also entweder Botox oder Schönheits-OP. Oder heftige Photoshop-Bearbeitung. Und diese Bilder werden dann ins Netz gestellt. Posieren gehört inzwischen zum Alltag eines Großteils v.a. junger Frauen; die Stars posten täglich auf Instagram (aber nicht nur diese). Man (vor allem aber Frau) eifert ihnen nach. Und orientiert sich dabei an den gestellten, aufgemöbelten Fotos, die alles ins rechte Licht rücken. Diese Bilder prägen sich tief in uns ein; sie geben vor, wie wir auszusehen haben: Superschlank, gebotoxt, faltenfrei gebügelt, jugendlich und immer gut gelaunt. Da kann ein normaler (weiblicher) Mensch ja gar nicht mit. Aber die Bilder tragen viele dennoch im Hinterkopf und vergleichen sich bei jedem Blick in den Spiegel; und sind (meist) frustriert.

Jüngere Menschen sind am schlimmsten betroffen!

Jugendlichen, Frauen wie Männern kann dieser ständige Vergleich mit irgendwelchen Vorbildern im Netz schwer zu schaffen machen. In einer Zeit der Suche nach sich selbst, sich ständig an unerreichbaren Vorbildern zu orientieren und ihnen nacheifern zu wollen, ist zwar kein neues Phänomen, aber Social Media hat das Problem verschärft. Das ständige Vergleichen mit falschen Schönheits-Idealen im Netz wird manchmal zum Dauerstress – und das macht krank. Durch die Unerreichbarkeit nimmt das Gefühl von eigener Inferiorität beständig zu. Der Weg in die Depression ist vorgezeichnet! Die ständige Konfrontation mit Unerreichbarem kann sehr ungesunde Auswirkungen haben. Und dies sowohl auf der körperlichen wie auch auf der psychischen Ebene.

Zum Einen kann man leicht depressiv werden (mit Selbstvorwürfen wie: das werde ich nie schaffen, ich bin nicht so gut, so schön, so berühmt, so begehrt…).

  

Andererseits können sich leicht Gruppen im Netz bilden, die irgendeinem hochgesteckten (meist ungesundem) Idealbild nacheifert. Das gefährlichste Beispiel bildet hier die „anorexia nervosa“ (Magersucht) mit ihren teilweise tödlichen Auswirkungen. Keine andere psychische Krankheit oder Störung hat derart verheerende Folgen. Das Social Media basierte Wetteifern im Aushungern basiert auf einer teilweise völlig abartigen Selbstwahrnehmung, die dann durch Gleichgesinnte im Netz noch verstärkt wird. Zwar gibt es zumindest teilweise schon Gegenentwürfe, wie die „body-positivity“, wo Frauen stolz das Gegenteilige zeigen (z.T. oft schon ungesundes Übergewicht). Dennoch bleibt das Problem des Dauervergleichs, was besonders bei jungen unsicheren Menschen in schwere psychische Krisen führen kann. Vor allem für junge Menschen, die mit dieser Welt des „schönen Scheins“ in der Digitalisierung aufgewachsen sind, spielen solche Überlegungen eine wichtige Rolle.

Immer „besser-höher-schneller“ (und nie erreichbar) macht uns krank! Die narzisstische Epidemie und ihre Ausbreitung

Der Narzissmusforscher Hans-Joachim Maaz hat zuletzt diese Besonderheiten einer ständig gehetzten andauernden Selbstoptimierungsgesellschaft untersucht. Eine wichtige Komponente dabei ist die sogenannte Dominanz eines „inneren Antreibers“, der uns nicht zur Ruhe kommen lässt. Diese Tendenz zu verstärktem Narzissmus in der Gesellschaft bezeichnet er als die „Grundstörung“ in unserer aktuellen Gesellschaft. Wenngleich eine krankhafte narzisstische Persönlichkeitsstörung als Krankheitsbild insgesamt bei unter 8% der Bevölkerung liegt, sind die allgemeinen narzisstischen Tendenzen alarmierend. Bei diesem Krankheitsbild gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen Männern (7,7%) und Frauen (4,8%) (s. Simson et al 20008). Dennoch schlagen manche Forscher und Autoren Alarm, dass sich die gesamte Gesellschaft in Richtung höherer Narzissmuswerte entwickle. Und dieses Phänomen ist verbunden mit einer Veränderung der Gesellschaft hinsichtlich:

  • Starkem Drang nach Bewunderung

  • Verflachung von emotionalen Bindungen

  • Starker Gefühle von Neid, Missgunst und Eifersucht

  • Wenig Empathie (Einfühlung in andere)

  • Verstärkte Neigung zu Gewalt bei „narzisstischen Kränkungen“.

Gerade der letzte Punkt zeigt sich in ansteigenden Gewaltexzessen wie Femiziden, Amokläufen und -fahrten. Mit diesen immer stärker in der Gesellschaft auftretenden Reaktionen auf narzisstischen Kränkungen beginnen sich auch immer mehr Therapeuten, Psychiater (u.a. z.B. Bernhard Haller: „Die Narzissmusfalle“) auseinanderzusetzen.

Diese Auswirkungen bezeichnen manche Autoren auch als „narzisstische Epidemie“. Ironischerweise hat inzwischen auch die Cov-19 Pandemie mit ihren Begleiterscheinungen die narzisstischen Tendenzen noch verstärkt. Durch diverse Lockdowns im Lauf der Epidemie und dem damit verbundenen sozialen Rückzug wurden viele der oben genannten Auffälligkeiten noch verstärkt. Der Umgang mit anderen Menschen und mit Nähe wurde derart eingeschränkt (Abstand halten), dass viele Menschen gewisse soziale Kompetenzen verlernten. Wir mussten uns andere „vom Leib halten“, andere wurden als potentielle Gefahr eingestuft (können uns anstecken). Die meisten Menschen, va. Jugendliche verbrachten noch mehr Zeit vor dem Bildschirm. Ein schlimmer Teufelskreis im Sinne einer narzisstischen Gesellschaft.

Keine einfachen Rezepte dagegen; aber jede/r kann selbst beitragen die Situation zu verbessern

Jedes (unerwünschte/meist unbewusste) Verhalten, das in unserem Bewusstsein landet, beinhaltet automatisch eine Chance; nämlich sich bewusst dagegen zu entscheiden.

Mehr direkte soziale Kontakte waren zwar eine Forderung in und nach den Lockdowns. Aber manchmal sehen diese so aus, dass eine Gruppe zusammensitzt, oder steht und jede/r in sein Handy glotzt! Miteinander reden wäre eine Option…. sich für die Belange des/der anderen zu interessieren; und das nicht nur im Hinblick auf „bin ich besser?“ Emotionale Anteilnahme; auch diese verflachte in den letzten Jahren sichtlich. Es gibt viele kleine Dinge, mit denen wir uns gegenseitig täglich belohnen können – und die wir nicht kaufen müssen! Wie wärs mal einfach mit jemanden freundlich anschauen?

Eines meiner vielen schönen Erlebnisse in Chile waren junge Leute, die durch die wunderbare Stadt Valparaiso gingen und „free hug“ (Gratis-Umarmung) anboten!

Den Freund oder die Freundin auch mal in den Arm nehmen, zuhören, trösten, aufmuntern, Hoffnung vermitteln… wir sollten das nicht verlernen und auf dem Friedhof der sozialen Kompetenzen „begraben“. Wie wärs mal damit: Statt ins Handy zu schauen andere – ganz analog – aufmunternd anlächeln… einfach so!!! Und das tut beiden gut!

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Wenn Sie ein kostenloses Beratungsgespräch zum Thema Coabhängigkeit von Narzisst*innen, toxische Beziehungen und wie kommen Sie da raus mit Eva Nikolov-Bruckner möchten, kontaktieren Sie Frau Nikolov-Bruckner direkt über nikolov-bruckner@narz-mich-nicht.at

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Blogbeiträge von Eva Nikolov-Bruckner

Eva Nikolov-Bruckner schreibt auch Blogbeiträge, die wir veröffentlichen. Hier finden Sie diese.

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Narz Talk Spezial – Narzissmus in Wien

Die beiden Wienerinnen Regina Schrott & Eva Nikolov-Bruckner führen durch die Stadt auf den Spuren von Herrn Freud.

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Hier finden Sie SOFORTHILFE und Erste Hilfe Tipps im Umgang mit Narzissen

Und das ist unser Team und unsere Kooperationspartner*innen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Kategorien: EchoismusNarzissmus

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