Meine Reise zur Entdeckung und Heilung meiner MUSSter ist ein Gastblogbeitrag von Marina mit Triggerwarnung: Magersucht, Zwangsstörung, emotionaler Missbrauch und Kontaktabbruch!
Die Erkenntnis: Leben als Reise
„Das ganze Leben ist eine Reise zur Entdeckung der eigenen MUSSter“. Mit diesem Zitat hat mich Sebastian Saul als Freund und Coach kürzlich sehr inspiriert. (Er hat das Zitat von Dirk Rosomm.)
Ich reise gerne, habe aber als Kind oft nur Pauschalurlaube erlebt. Auf Reisen geht auch mal etwas schief, es ist ein Abenteuer, man ist in Bewegung. Und genauso ist das Leben, in das ich mich erst im Alter von dreizig Jahren gestürzt habe.
Die Scheinwelt meiner Kindheit
Meine Kindheit glich einem All-Inclusive-Urlaub in einer abgeschotteten Scheinwelt. Nach außen hin waren wir die perfekte Familie. Um dieses Bild zu verstärken, wurde am Esstisch regelmäßig über andere gelästert – über Freunde, Verwandte, jeden außerhalb unserer Familie. Das führte dazu, dass meine Schwester und ich uns extrem anpassten: Wir halfen im Haushalt, erzielten Bestnoten und erfüllten alle Erwartungen. Kinder, mit denen man angeben konnte – aber auf Kosten unseres Selbstwertgefühls, das an Leistung und Bedingungen gebunden war.
Durch das geringe Selbstwertgefühl versuchte ich, mich zusätzlich auch äußerlich anzupassen. Ich entwickelte eine Magersucht, weil ich mein Gewicht mit dem von anderen Freundinnen oder von Mädchen aus Zeitschriften verglich. Als meine Periode ausblieb, sagte meine Mutter nur: „Iss wieder, sonst kannst du keine Kinder bekommen.“ Also aß ich – doch eine unbewusste Angst vor einer späteren unmöglichen Schwangerschaft blieb. Meine MUSSter wurden nicht angesehen. Kurz darauf begann meine Trichotillomanie, der Zwang, sich die Haare auszureißen. Ich lernte, was Spliss ist, und fing an, alle Haare auszureißen, die nicht perfekt waren. Daraus entwickelte sich eine Zwangsstörung, unter der ich bis heute leide.
Der Kampf um Selbstbestimmung
Das narzisstische Verhalten meines Vaters wurde mir zum ersten Mal deutlich, als ich nach meinem Abitur ausziehen wollte. Es gab Zuhause die ersten Streitigkeiten und mir wurde gesagt, dass ich schuld an den ersten Eheproblemen meiner Eltern sei. Meine Mutter versuchte sich für mich einzusetzen und gleichzeitig den Streit zu schlichten. Als Kind, was nicht gelernt hatte, wie man streitet und wie man seine eigenen Grenzen findet und dafür einsteht, bin ich letztendlich Zuhause wohnen geblieben und habe ein Studium in Wohnortsnähe begonnen.
Mein Vater, ein Polizist, erklärte mir, dass ein Auszug für uns als Familie eine finanzielle Belastung sei, was meine Schulgefühle verstärkte. Zum anderen ließ mich dies an meiner eigenen Wahrnehmung zweifeln, denn zwei bis drei Mal im Jahr „All-inclusive-Urlaube“ gehörten eigentlich zum Standard bei uns. Mittlerweile glaube ich, dass er seinen Selbstwert durch meine Liebe und Zuneigung definiert hat. Ich war die älteste Tochter und er wollte mich nicht loslassen.
Eine Beziehung im Schatten der MUSSter
Im Zeichen dieser MUSSter habe ich meinen ersten Freund erst gefunden, nachdem ich von zu Hause ausgezogen war. Ich habe unbewusst nach einem Partner gesucht, der die Erwartungen meiner Eltern erfüllt. Ursprünglich hieß es in meiner Kindheit, dass ich eines Tages meinen Vater heiraten würde, später wurde es ein Mann, der so gut ist, wie mein Vater.
Am Anfang wurde mein Partner auch von meinem Vater gefeiert, doch bald kam es zu Grenzüberschreitungen. Einmal kam mein Vater unangekündigt in unser Zimmer, als wir intim waren, lachte nur und entschuldigte sich nicht. Ein anderes Mal betrat er mit meiner Schwester ohne Vorwarnung unsere Wohnung – mein Partner stand plötzlich halbnackt vor ihnen. Statt sich zu entschuldigen, wurde er ausgelacht.
Mit der Zeit versuchte mein Vater immer stärker, meinen Partner in ein schlechtes Licht zu rücken. Wenn dieser bei einem Besuch keinen Alkohol trinken wollte, deutete mein Vater es als Ablehnung unserer Familie. Ich geriet in einen Konflikt: Sollte ich meinen Partner dazu bringen, sich anzupassen, oder endlich lernen, für uns einzustehen? Lange Zeit ließ ich mich von meiner Harmoniesucht leiten und versuchte zu vermitteln – auf Kosten unserer Beziehung.
Mein Partner ließ sich für mich und das familiäre Miteinander lange darauf ein, aber es wurde immer schlimmer
Wenn er sich nicht bereits an seinem Geburtstag für Glückwünsche und Geschenke bedankte, wurde sein Verhalten hinterfragt. Einmal ging es sogar so weit, dass mein Vater die Mutter meines Partners anrief und fragte, ob seine Schwester sich ebenfalls nicht bedanken könne.
Irgendwann konnte mein Partner dieses Verhalten nicht mehr hinnehmen, doch mein Vater war nicht in der Lage, sich zu entschuldigen. Ich wiederum konnte noch nicht für ihn, mich oder uns einstehen. Ich war gefangen in meiner Harmoniesucht, setzte die MUSSter meiner Mutter fort und versuchte, zu vermitteln.
Auch unsere gemeinsamen Träume wurden abgewertet und indirekt sabotiert
Mein Autokauf wurde zur Diskussion, weil ich das Auto nehmen sollte, das mein Vater empfahl. Ein Haus, das wir kaufen wollten, wurde als „Schrott“ abgetan – nur weil es keine Klingel hatte. Im Nachhinein weiß ich, dass mein Vater immer wollte, dass ich in seinem Dorf lebe. Als ich Lehrerin wurde, sagte er dem Schulleiter meiner Ausbildungsschule, an der ich bleiben wollte, dass ich ohnehin nicht lange dort arbeiten würde, weil ich zu ihm ins Heimatdorf zurückkehren würde.
Mein Freund blieb geduldig an meiner Seite und versuchte, mir die toxischen MUSSter aufzuzeigen. Doch ich schloss lange die Augen und versuchte, die Scheinwelt aufrechtzuerhalten.
Eine geplatzte Reise als Wendepunkt
Zum 80. Geburtstag meiner Großmutter wollten meine Eltern ihr eine Reise nach Istanbul schenken. Mein Partner war trotz der angespannten Situation bereit, mitzukommen. Doch als wir eine günstigere Unterkunft als die von meinem Vater gewählte vorschlugen, kam es zur Eskalation. Mein Vater drohte, die Reise abzusagen, und sagte, er würde meiner Großmutter erklären, dass sie „meinetwegen“ nicht stattfände. Ich geriet in Panik und versuchte, meinen Partner zu überreden, doch mehr Geld auszugeben, anstatt mich dem Konflikt mit meinem Vater zu stellen.
Dann passierte etwas, das mir die Augen öffnete: Ich begann, meinen Partner emotional zu manipulieren, genau wie mein Vater es mit mir tat. Als ich mich selbst dabei ertappte, wurde mir klar, dass ich Hilfe brauchte.
Ich suchte eine Psychologin auf, die mir half, meine toxischen Familienverhältnisse aufzuarbeiten und Grenzen zu setzen
Doch meine Eltern konnten oder wollten ihren Anteil an meiner psychischen Situation nicht sehen. Als ich sie bat, meine Schwester nicht damit zu belasten, erzählten sie es ihr trotzdem – und stellten mich als das Problem dar.
Natürlich gab es weiterhin Probleme mit meinem Vater, und wenn ich Grenzen setzen, mich und meinen Partner verteidigen wollte, wenn ich um Entschuldigung bat, wurden die Konflikte immer schlimmer. Ich wurde zunehmend kraftloser und verlor mich in einer schweren, aber sehr funktionalen Depression. Entsprechend meiner MUSSter stürzte ich mich in die Arbeit als Lehrerin, verlor mich in den Problemen meiner Freundinnen, kümmerte mich mehr um andere als um mich selbst und meine Beziehung.
Ich hatte die toxischen VerhaltensMUSSter bei mir und in meiner Herkunftsfamilie erkannt, konnte sie aber nur schwer ablegen. Als mir das klar wurde, habe ich mich in eine psychosomatische Klinik begeben. Für diese Erfahrung bin ich im Nachhinein unendlich dankbar und würde sie jedem Betroffenen empfehlen, der die Möglichkeit hat, einen solchen Schritt zu wagen.
In der Klinik konnte ich mit Hilfe der Therapeuten einen klaren Blick auf meine Herkunftsfamilie und meine MUSSter werfen.
Mir wurde klar, dass ich viel zu lange Energie in den Kampf und die Hoffnung auf ein Zusammenleben investiert hatte, anstatt in mich und meine Zukunft
Nach langer persönlicher Bedenkzeit wählte ich schließlich den Weg des endgültigen Kontaktabbruchs zu meinen Eltern durch zwei individuelle Briefe. Ich hatte lange für ein Miteinander gekämpft, für Einsicht und Verantwortungsgefühl meines Vaters für seine eigenen Fehler. Aber dazu war er nie in der Lage.
Nach langen Bitten um erwartete und ausbleibende Entschuldigungen, gab er einmal trotzig nach und sagte, dass er sich dann einfach bei meinem Partner entschuldigen wolle. Als ich nachfragte, meinte er, er würde sich nur entschuldigen und dann „Schwamm drüber“ und mein Partner solle sich auch entschuldigen. Wieder wurde mein Partner als schuldig dargestellt, obwohl er nichts falsch gemacht hat, nur auf den Missbrauch reagiert und sich zurückgezogen hat.
Der Kontaktabbruch war für mich der notwendige Schritt, um dauerhaft eine innere Heilung und Entwicklung gehen zu können.
Mein Weg zur Heilung
In der Klinik habe ich auch gelernt, mich selbst liebevoller zu betrachten. Nach meiner kognitiven Einsicht in mein Verhalten hatte ich mich sehr für mein Verhalten verurteilt. Ich habe mir viele „was wäre wenn“ Gedanken gemacht und mir die Schuld gegeben. Mir wurde auch durch Fachliteratur deutlich, dass mein Verhalten ein typisches MUSSter von Opfern emotionalen Missbrauchs war.
Im Nachhinein kann ich gar nicht mehr genau sagen, was mir geholfen hat, meine Selbstliebe zu finden und stark zu werden. Ich habe viel meditiert, ein Dankbarkeitstagebuch begonnen, viel reflektiert und Kraft in der Kunsttherapie gefunden, aber so konkrete Muskelübungen wie in der Physiotherapie gibt es in der Psychotherapie leider nicht und dann verläuft inneres Wachstum meist auch in Wellen.
Die Wellen sind ein Symbol für meine innere Heilung geworden
Ich habe für mich erkannt, dass im Leben immer wieder Wellen auf mich zukommen werden. Manche Wellen werden mir vielleicht auch wieder den Boden unter den Füßen wegziehen, aber nach einer gewissen Zeit werde ich auch wieder aus dem aufgewirbelten Chaos auftauchen. Ich werde meine eigene innere Kraft wiederfinden, um auf den Wellen des Lebens zu surfen. Manchmal werde ich einfach nur auf den Wellen schaukeln und mich entspannen.
Ich bin meinem Freund unendlich dankbar, dass er auch diese schwierige Phase mit mir durchgestanden hat. Er hat einen enormen Anteil an meinem persönlichen Wachstum, denn er hat meine toxischen MUSSter am intensivsten miterlebt, ja sogar am eigenen Leib erfahren und ist trotzdem bei mir geblieben. Er hat mir Impulse zur Weiterentwicklung gegeben und mir gleichzeitig den Raum gelassen, meinen eigenen Weg zu finden.
Ich möchte weiter an meinen MUSStern arbeiten
Ich will lernen, konstruktiv zu streiten. Ich möchte lernen, zu Fehlern zu stehen und sie als Chance zur persönlichen Weiterentwicklung sehen. Ich möchte in Bewegung bleiben und mich nicht hinter meiner Harmoniesucht verstecken, wenn gerade alles gut zu laufen scheint. Ich möchte MUSSter durchbrechen und eine gesunde Zukunft für mich und meinen Partner schaffen. Er selbst hat lange Zeit seine eigenen Ziele für uns zurückgestellt und ich hoffe, dass ich langsam eine Partnerin werde, die ihn in eine gesunde und heilsame Zukunft begleitet. Das war meine Reise zur Entdeckung und Heilung meiner MUSSter und vielleicht inspiriert mein Weg auch Sie.
Herzlichst Marina
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