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Es gibt Hinweise darauf, dass der Anteil von Menschen mit Narzissmus in der Bevölkerung zunimmt.

Selbstverliebte Chefs, herzlose Lebenspartner oder Kollegen, die bei der leisesten Kritik an die Decke gehen. Einige Kritiker sehen die westlichen Gesellschaften ohnehin schon lange auf dem Weg ins narzisstische Zeitalter. Hierbei geht es meistens um den subklinischen Narzissmus. Die narzisstische Persönlichkeitsstörung allerdings findet noch zu wenig Beachtung, weil sie bis dato selten wissenschaftlich untersucht wird. Eine Neuerung gibt es seit dem 01.01.2022 allerdings. Man spricht nicht mehr von einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Sondern nur noch von einer Persönlichkeitsstörung, welche mehr oder weniger stark ausgeprägt ist und sich auf die Beziehungsfähigkeit auswirkt.

Narzissten sind auf die positive Bestätigung von außen angewiesen. Sie sind nicht fähig, sich selbst zu lieben. Durch ihren Kampf nach Anerkennung werden sie „eigenartig“, stehen im Mittelpunkt, lenken Unternehmen, werden Stars oder nehmen Einfluss auf die Welt. Die „Fassade“ hält, solange sie Bestätigung bekommen. Erhalten sie kein Lob, stürzen sie ab in Form von Depressionen, selbstdestruktivem Verhalten oder sogar Suizidversuchen. Das Bemühen, die gefühlte innere Leere zurückzuweisen, richtet sich gegen die äußere Welt. Anschuldigungen und Vorwürfe gegen Andere dienen der eigenen Stabilisierung.

Nach DSM-5 gibt es folgende Kriterien für eine narzisstische Persönlichkeitsstörung, die sich folgendermaßen zusammenfassen lassen:

Die Betroffenen haben ein grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit. Sie idealisieren sich selbst und sind stark von Fantasien grenzenlosen Erfolgs, Macht, Glanz oder Schönheit eingenommen. Außerdem verlangen sie nach übermäßiger Bewunderung. Sie glauben von sich, besonders sowie einzigartig zu sein und nur von anderen außergewöhnlichen oder angesehenen Personen oder Institutionen verstanden zu werden oder nur mit diesen verkehren zu können. Darüber hinaus zeigen sie ein offensives Anspruchsdenken und erwarten, bevorzugt behandelt zu werden.

Wissenschaftler des Universitätsklinikums La Charité und der Freien Universität Berlin haben einen Zusammenhang zwischen pathologischem Narzissmus und einer Abnahme der grauen Substanz in der Hirnregion, der mit der Steuerung von Empathie zu tun hat, hergestellt. Vor allem in der linken Inselregion war der Nervenzellschicht messbar dünner. Patienten sind möglicherweise in der Lage zu erkennen, was andere Menschen fühlen, denken und wollen, können jedoch kein Mitgefühl für sie empfinden. Eine Erb-Komponente ist aber leider nicht gefunden worden. Offensichtlich ist es, dass Kinder mit narzisstischen Eltern Entwicklungsdefizite zeigen, da Mitgefühl als Wert nicht vorgelebt wird.

Da im streng medizinischen Sinn Narzissmus schwer zu greifen ist, müssen sich Ärzte auf ihre Praxiskenntnisse stützen.

Nämlich, dass pathologischer Narzissmus nach der Theorie der Psychoanalytiker eine Ich-Störung ist. Die Patienten leiden an einem Mangel an Selbstwertgefühl, der dann überkompensiert wird. Ohne vernünftige

Grenzen zu setzen, kann sich das Ich nicht finden. Ergänzende Entwertungen durch die Eltern verstärken diesen Effekt. Narzisstische Menschen stellen sich Therapeuten meist wegen komorbider Störungen vor. Sie zeigen häufig ein destruktives Verhalten, neigen zum Abbruch von Beziehungen und zu Suizidversuchen. Eine Vielzahl von Medikamenten – einschließlich Stimmungsstabilisatoren wie Lithium und Valproinsäure; Antikonvulsiva wie Carbamazepin und Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRIs) – können helfen, das impulsive Element dramatischer Störungen zu kontrollieren. Während Antidepressiva und Medikamente gegen Angstzustände wenig dazu beitragen, etwas so Grundlegendes wie die Persönlichkeit zu korrigieren, haben Ärzte festgestellt, dass einige Patienten motivierter sind, die harte Arbeit einer Psychotherapie fortzusetzen, wenn sie die stresslindernden Medikamente für ein so gestörtes Leben verschrieben bekommen. Für diejenigen, die dies tun, erhöhen sich die Behandlungsoptionen. Dazu werden Drogen und Alkohol durch Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeit oft missbraucht. Daher kann die Behandlung von Suchtproblemen bei dieser Störung von Vorteil sein.

Leider haben psychiatrische Fachkräfte noch wenig Wissen darüber,

wie sich jemand mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung im täglichen Leben tatsächlich verhält.

Insbesondere über die verheerenden Auswirkungen dieser gestörten Verhaltensweisen auf das Leben ihrer Opfer. Narzisstischer Missbrauch ist das, was eine Person in einer Beziehung mit jemandem erlebt, der die Kriterien für narzisstische oder antisoziale Persönlichkeitsstörungen erfüllt. Die potenziellen lähmenden und lebenslangen Auswirkungen narzisstischen Missbrauchs auf die psychische Gesundheit eines Partners, bilden eine Gruppe von Symptomen, die noch nicht im Handbuch zur Diagnose und Statistik von psychischen Störungen (DSM-V) enthalten sind und als narzisstisches Opfersyndrom bezeichnet werden. Viele psychiatrische Fachkräfte sind sich dessen immer noch nicht bewusst.

Viele Therapeuten wissen nicht viel über Narzissmus

Sie wissen noch weniger über die Auswirkungen narzisstischen Verhaltens auf das Leben ihrer Opfer. Dies ist nicht die Schuld der Therapeuten, sondern liegt an der Mangel an Ausbildungsangebote. Dieser Mangel an Wissen schadet der Effizienz des Therapeuten erheblich, wenn er versucht einen Patienten zu behandeln, der von einem Narzissten missbraucht wird. Dieser Patient ist oft tief traumatisiert.

Eine falsche Diagnose bedeutet eine falsche Behandlung und mehr Leid für das Opfer. Nachfolgend sind die Symptome aufgeführt, die bei Opfern narzisstischen Missbrauchs häufig auftreten. Die Symptome umfassen:

  • Verlust des Interesses an Aktivitäten, die sie zuvor interessiert haben
  • Gewichtszunahme oder Gewichtsverlust
  • Schlafstörungen / Schlaflosigkeit
  • Ständige Tachykardie und Angstzustände
  • Hypervigilanz (Schutzmechanismus gegen eine potenzielle Gefahr)
  • Selbstmordgedanken
  • Psychosomatische Erkrankungen
  • Reizbarkeit
  • Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit im Zusammenhang mit dem Gefühl, dass niemand sie bestätigt und/oder dass niemand das Ausmaß des Missbrauchs versteht, dass sie erlitten haben
  • Depressionen

Bei einem narzisstischen Opfersyndrom ist das Verständnis der Natur des narzisstischen Missbrauchs, seiner Auswirkungen und des narzisstischen Missbrauchssyndroms entscheidend für die Heilung und Wiederherstellung Ihrer Fähigkeit, sich selbst zu versorgen und zu lieben. Dafür kann u.a. der systemische therapeutische Ansatz helfen. Die Opfer-/Täterdynamiken sowie die lebenslang falschen Glaubensätze werden aufgedeckt. Neue Denk- und Verhaltensmuster werden besprochen. Das Opfer wird in seinem Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühlt gestärkt und lernt in seinem Umfeld Grenzen zu setzen.

Silvia Pereira ist Ärztin der Psychiatrie und Psychotherapie.
Wir danken ihr für das Statement.